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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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breit genug für einen zweispännigen Heuwagen war, und beeilte sich, Thomas einzuholen. Im Obstgarten konnte er eine kleine Gestalt ausmachen, die ihnen mit einem freudestrahlenden Lächeln entgegenkam.
    „Großmutter!“ Thomas sprang vom Pferd und umarmte sie.
    „Thomas – wir hatten dich noch nicht so schnell zurückerwartet.“ Die alte Dame trug ein braunes Kleid, das schon längst aus der Mode war, ihr aber vorzüglich stand. Das Haar war zu einem Knoten geschlungen. Aufgeregt rang sie die Hände. „Und dann bringst du uns auch noch deinen Freund mit. Cirk, wie schön, Sie wieder einmal bei uns begrüßen zu können.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Du Böser.“ Tadelnd wandte sie sich wieder ihrem Enkelsohn zu. „Warum hast du uns sein Kommen nicht angekündigt?“
    Cirk war ebenfalls abgestiegen. „Ihn trifft keine Schuld.“Mit einem um Verzeihung bittenden Lächeln begrüßte er die ältere Dame. „Thomas hat mich ganz spontan eingeladen, besser gesagt, einladen müssen, nachdem die französischen Häscher mit Nachdruck versucht haben, mich dingfest zu machen, was Thomas natürlich nicht zulassen konnte. Dafür hat er mich nun am Hals.“ Er bedachte seinen Freund mit einem schiefen Grinsen. „Ich bitte daher inständig um Unterschlupf für einen hoffentlich nur kurz währenden Zeitraum.“ Er verbeugte sich leicht vor der alten Dame.
    „Ach, Cirk.“ Thomas’ Großmutter strich ihm über den Arm. „Sie wissen doch, dass Ihnen stets ein herzliches Willkommen gilt. Stimmt’s nicht, Lucia?“
    Sie wandte sich der jungen Frau zu, die mit federleichten Schritten auf sie zukam. Lucia wirkte wie eine kindliche Elfe, die sich in eine fremde Welt verirrt hatte. Sie war von kleinem, zierlichem Wuchs, und ihre schlanke Gestalt brachte jeden Mann dazu, sich um sie bekümmern zu wollen. Das halblange, pechschwarze Haar hüllte ihr Gesicht, das von einer trügerischen Lieblichkeit war, wie einen Schleier ein.
    „Cirk!“ Die letzten Schritte rannte sie. Ihre Arme flogen um seinen Hals. „Was für eine großartige Überraschung. Ich habe dich vermisst.“
    Fast hätte sie ihn geküsst, doch Cirk löste sich abrupt von ihr. „Ach, Lucia, schwindele bitte nicht so. Zum Vermissen hast du doch gar keine Zeit.“ Er zwinkerte ihr zu. „Wie war das noch? Gab es da zuletzt nicht diesen Offizier mit der vielversprechenden Karriere, der immer so nette Geschenke für dich mitgebracht hat?“
    Lucia machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, das ist längst vorbei.“
    „Es war vorbei, als die teuren Geschenke ausblieben“, warf Thomas trocken ein.
    „Hör auf damit.“ Lucias Augen wurden schmal. Sie schenkte ihrem Bruder einen wütenden Blick und wurde noch nicht einmal rot dabei. „Liebes Bruderherz, wir wollen die alten Geschichten jetzt nicht wieder aufwärmen.“ Ihr Tonfall war hart. Doch dann streckte sie, wie um dem Bild eines verzogenen Kindes doch noch gerecht zu werden, Thomas die Zunge heraus. „Cirk ist hier, wenn das kein Grund zum Feiern ist!“
    Warum Cirk allerdings so überraschend in England weilte, schien Lucia nicht zu interessieren. Auch über den Krieg konnte man mit ihr nicht reden, da sie alle unangenehmen Dinge des Lebens nur allzu gern zur Seite schob. Lucia bereitete der Krieg erst dann Verdruss, wenn er sie direkt betraf. Alles Gerede über Siege und Niederlagen fand sie verabscheuenswürdig.
    Leicht abschätzend glitten ihre Augen nun über Cirks Gestalt und sein mit Bartstoppeln überzogenes Gesicht. Cirk spürte ihren Blick, ignorierte ihn jedoch. Aber ignoriert zu werden gefiel Lucia überhaupt nicht.
    Wieder verengten sich ihre Augen zu Schlitzen, und sie sah ihren Bruder herausfordernd an. „Thomas, die Schneiderin hat sich über dich beschwert. Es ist ihr, wie auch immer, gelungen neue Stoffe zu besorgen. Sie will mir ein Kleid nähen, besteht aber darauf, dass du zuerst die offenen Rechnungen begleichst.“
    „Lucia!“ Entsetzt schlug ihre Großmutter die Hände zusammen. „Was soll dieses Gerede, noch dazu vor einem Gast. Du brauchst kein neues Kleid.“
    Cirk sah den berechnenden Ausdruck in Lucias Augen und begriff, dass sie diese Sache ganz bewusst in diesem Moment zur Sprache gebracht hatte, nachdem sie bei seinem letzten Besuch auf Rosegarden Zeuge eines Gespräches zwischen ihmund Thomas geworden war, in dem er seinem Freund Geld für Außenstände angeboten hatte.“
    „Und wenn das Kleid fertig ist“, fuhr Lucia fort, als habe sie die Einwände

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