Die Friesenrose
ihrer Großmutter nicht gehört, „dann werde ich es beim nächsten Besuch im Theater tragen, und ich möchte, dass Cirk mich begleitet.“ Mit einer herausfordernden Geste warf sie den Kopf in den Nacken.
„Jetzt erlaube mal. Bietest dich einfach unserem Gast an!“ Ihre Großmutter schüttelte den Kopf. „So etwas hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben. Solche Rede gehört sich nicht für ein junges Mädchen. Zum einen ist Cirk gerade erst angekommen und hat Besseres zu tun als mit dir über einen Theaterbesuch zu plaudern. Zum anderen hat er Schlimmes erlebt und ... “
Lucia ließ ihre Großmutter nicht ausreden. „Wen soll ich denn sonst fragen?“ Sie hatte den Tonfall eines störrischen Kindes angenommen. „Alle annehmbaren Männer sind doch in den Krieg gezogen, um sich mit den Franzosen zu schlagen.“ Lucia verzog angewidert das Gesicht. „Wenn ich mich nicht selbst um eine Begleitung bemühe, werde ich noch als alte Jungfer enden.“
Cirks Lippen zuckten amüsiert. „Ich glaube alles andere als das! Aber Lucia, mir steht im Augenblick wirklich nicht der Sinn nach einem Theaterbesuch. Davon hatte ich in letzter Zeit mehr als genug.“ Er warf Thomas einen beredten Blick zu.
Beleidigt und mit einem Schulterzucken wandte Lucia sich von ihnen ab und ging auf das Haus zu. Ihre Großmutter schüttelte verzweifelt den Kopf. „Hätte nur ihr Vater ein paar Jahre länger gelebt. Er war der Einzige, dem es gelang, dieses Kind zu bändigen.“
„Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen“, versicherte Cirkder alten Dame beruhigend. „Eines Tages kommt bestimmt der richtige Mann für Lucia.“
Dankbar nickte sie ihm zu. „Ich hatte ja gehofft...“ Sie führte den Satz nicht zu Ende. „Aber nein, Sie sind viel zu schade für dieses Kind, Cirk.“
Cirk schüttelte den Kopf und schmunzelte in sich hinein. Eigentlich war diese alte Dame viel zu schade für ihre Enkeltochter. Aber davon würde man Lucia schwerlich überzeugen können. Sie hielt sich für den Nabel der Welt, und das würde nichts und niemand ändern können.
Während Thomas und seine Großmutter munter plaudernd durch den Garten schritten, gab Cirk sich einfach dem guten Gefühl hin, auf Rosegarden zu sein. Die mütterliche Freundlichkeit, mit der ihm Thomas’ Großmutter begegnete, tat ihm gut und ließ alle Anspannung von ihm abfallen. Hier war er willkommen und brauchte sich nicht zu verstellen. Für alle anderen mochte er ein Held sein, ein Blockadebrecher, ein Pirat, der den Franzosen ein Schnäppchen schlug. Doch was ihn diese Auflehnung an Kraft kostete und wie sehr sie ihn belastete, vermochte keiner zu ermessen.
Eine leichte Brise strich über Cirks Haut. Der schwere Duft von Rosen stieg ihm in die Nase, und er sog ihn gierig ein. Auf dem Dach des Hauses kauerten Tauben und erfüllten die Luft mit ihrem leisen Gurren. Spatzen balgten sich tschilpend am Boden, und Bienen flogen summend von Blüte zu Blüte. Cirks Augen folgten den Schwalben, die am blauen Himmel ihre Kreise zogen. Eine Schläfrigkeit lag über dem Anwesen, die den Krieg unwirklich erschienen ließ. Und Cirk beschloss, sich für eine kleine, heilsame Weile diesem Gefühl von Unwirklichkeit zu überlassen.
Versuchungen
„Heirat!“ Lucia trat vom Fenster zurück und stampfte mit dem Fuß auf. Die wilden dunklen Wolken, die dicht über dem Dach des Hauses dahinjagten, entsprachen ganz der Stimmung der zornigen jungen Frau, die Cirk nicht aus den Augen ließ.
„Heirat, pah“, stieß sie das Wort erneut aus. „Meine Großmutter spricht nur noch davon, mich unter die Haube zu bringen. Und Großvater unterstützt natürlich alles, was sie sagt. Sie sind ganz versessen darauf, mich an einen der Söhne ihrer hochwohlgeborenen Freunde zu verschachern. Aber da mache ich nicht mit. Ganz bewusst habe ich heute darauf verzichtet, sie zu einem dieser merkwürdigen steifen Zusammentreffen zu begleiten. Kannst du dir vorstellen, wie die vermeintlichen Heiratskandidaten aussehen? Einer noch beleibter als der andere. Zerrbilder von Männern. Und natürlich genau wie wir verarmt.“ Das letzte Wort hatte Lucia fast ausgespien, als würde sie sich davor ekeln.
Gedankenvoll blickte Cirk durch die Scheiben der Fenster auf den gepflasterten Gartenweg. Die Bäume waren kaum mehr als dunkle Schatten im peitschenden Regen.
„Wäre ich nur ein Mann wie du, Cirk!“ Lucia sprang in Kampfstellung und schwang die Hand, als befände sich ein Messer darin. „Dann würde ich Abenteuer
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