Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
Vom Netzwerk:
Spinnenweibchen, das seine Männchen auffraß, wenn es sie leid war.
    Um sich von ihr und der Tatsache, dass sie alleine waren, abzulenken, ließ Cirk seinen Blick durch den anheimelnden Raum gleiten, der ohne die Anwesenheit von Thomas’ Großeltern seltsam verlassen und in dem Lucia mit ihrem auffallenden Kleid wie ein Fremdkörper wirkte. Der Raum besaß eine niedrige, von Eichenbalken getragene Decke und einen dunklen Fußboden. Die mit Chintz bezogenen Sofas und Sessel wirkten einladend und freundlich. Es gab eine geräumige, mit bunten Kacheln verflieste Kaminecke, in der Feuerholz aufgestapelt war, und einen Tisch aus Walnussholz, der wie poliertes Gold funkelte.
    Lucia glitt in einen Sessel nahe beim Fenster. Für einen Moment gestattete sie Cirk einen Blick auf ihre langen, vollkommen geformten Beine, bevor der schimmernde Stoff sie wieder verhüllte.
    „Würdest du mir einen Whisky einschenken.“
    Widerstrebend kam Cirk ihrem Wunsch nach und füllte auch sich selbst ein Glas. Er setzte sich in das Sofa ihr gegenüber und stellte die Gläser auf den Tisch. Sofort erhob sich Lucia mit geschmeidiger Anmut und kam auf ihn zu. Bevor Cirk wusste, wie ihm geschah, drängte sie sich an ihn. Ihre vollen Lippen zeichneten unsichtbare Spuren auf seinem Hals nach. Einen Augenblick lang war Cirk zu überrascht, um zureagieren. Zurückgelehnt ließ er die Liebkosungen mit geschlossenen Augen über sich ergehen, gab sich sogar der Illusion hin, es sei Inken, die ihn liebkoste. Seine Hände vergruben sich in der Haarflut. Lucia schlang eine Hand heftig um seinen Nacken und küsste ihn. Dann aber ließ ihn eine innere Stimme innehalten. Was tat er hier? Dies war nicht Inken. Hatte die Sehnsucht nach ihr ihn so fest im Griff, dass schon jede Frau in seiner Vorstellung ihre Gestalt annahm? Atemlos schob er Lucia von sich.
    „Nein!“, sagte er entschieden.
    Sie hob ihm die Arme entgegen, doch er schüttelte nur den Kopf und drehte sich zur Seite, um sie nicht mehr ansehen zu müssen. Insgeheim fragte er sich, ob er verrückt war. Ausgehungert, wie er war, ließ er eine wie sie aus! Sein Verlangen, das allerdings nicht ihr galt, machte ihn schwindelig. Wenn das kein Wahnsinn war! Aber zum Teufel! Warum sollte er sie sich nicht einfach nehmen? So wie sich ein Mann eben eine willige Frau mit einem schönen Körper nahm, und Lucias war wirklich wunderschön. Doch seine Träume und Sehnsüchte in der Nacht, die sich auf eine andere richteten, standen dagegen. Und außerdem wusste er nur zu gut, dass Lucia Verderben bedeutete. Sie hatte bislang noch keinem Mann Glück gebracht.
    „Gefalle ich dir nicht?“ Ein schmollender Ton lag in ihrer Frage. „Ich liebe dich sehr.“
    „Kannst du denn überhaupt lieben?“, stellte Cirk eher tonlos fest, als dass er es fragte.
    „Ich liebe dich wirklich.“ Sie zerrte an seinem Arm. „Ich liebe dein Aussehen, wie du dich bewegst und wie du küsst. Es hat dir gefallen mich zu küssen, oder? Und du wolltest mich! Warum also ...“ Sie ließ den Satz unvollendet.
    „Ich glaubte für einen Moment, du wärst jemand anderes.“Seine Worte waren hart, das wusste Cirk. Doch es musste sein! Seine Stimme war kühl. Er war wieder Herr seiner Sinne. Solange er denken konnte, hatte er seine Stimme und auch seine Gefühle stets beherrschen müssen.
    Mit ihren dunkel lodernden Augen sah Lucia zu ihm auf. „Du glaubtest, ich sei jemand anderes?“ Ungläubigkeit schwang in ihrem Ton. Für einen Augenblick schien sie sprachlos. Doch dann fasste sie sich wieder. „Als Versteck sind wir dir gut genug, aber bezahlen willst du nicht.“ Ihre Leidenschaft konnte nicht echt sein, wenn sie ihr so rasche Forderungen und ungerechte Vorwürfe folgen lassen konnte.
    „Lucia.“ Cirks Stimme klang müde. „Ich bin dir nichts schuldig, gar nichts!“
    „Ich gebe dich nicht so einfach auf“, erwiderte sie wie ein Kind, dem man seinen innigsten Wunsch abschlug.
    „Du kannst nur etwas behalten, das dir gehört.“ Cirk blickte ihr fest in die Augen. „Und ich gehöre dir nicht.“
    Lucia hängte sich an seinen Hals und begann zu weinen. „Nein“, murmelte sie. „Schick mich jetzt nicht fort. Oh, bitte, tu es nicht. Ich kann nur noch an dich denken, seit Tagen. Und ich will dich, ich will dich jetzt, sofort!“
    Cirks Magen zog sich in kalter Abwehr zusammen. „Du machst dich lächerlich, Lucia. Hör sofort auf zu weinen. Hast du nicht erst gestern noch diesen jungen Burschen – Mark, so hieß er doch,

Weitere Kostenlose Bücher