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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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neigte sie nun auch den Kopf in Inkens Richtung.
    „Voller Dankbarkeit verneigt sich dieses Geschöpf vor dem Mädchen mit dem Feuerhaar. Welcher Mut muss in seinem Herzen wohnen, dass es einer unwürdigen Chinesin in einer solchen Lage geholfen hat. So viel Mut verdient eine gute Tasse Tee. Der Tee wird den Schrecken verjagen und die Herzen wieder leicht machen. Diese dankbare Chinesin bittet ihre Retterin darum, sie in ihr bescheidenes Heim zu begleiten.“ Sie blickte Inken mit unverhohlener Bewunderung an und schien tief beeindruckt.
    Inken unterdrückte ein Lächeln. Die blumige Ausdrucksweise der Chinesin erheiterte sie.
    „Das Angebot nehme ich gerne an, aber Sie sind verletzt. Sollten wir nicht zuvor einen Arzt aufsuchen?“ Inken wies besorgt auf die Schläfe der Fremden.
    Aber diese winkte ab „Oh nein. Es ist nichts.“ Sie betastete die Wunde. „Es tut kaum weh. Ein wenig Berglack wird die Blutung stoppen und Mandelöl die Haut schnell wieder schließen.“
    Inken runzelte die Stirn. „Warum haben diese jungen Burschen mit Steinen nach Ihnen geworfen?“
    „Weil diese Frau eine Fremde ist. Noch dazu eine, der man es auf den ersten Blick ansieht.“ Traurigkeit lag in ihrer Stimme.
    „Das ist doch kein Grund!“, meinte Inken bestimmt.
    „Es ist sehr wohl ein Grund. Die Menschen fürchten sich vor allem, was sie nicht kennen und was ihnen nicht vertraut ist. Und die Furcht vor allem, was anders ist, kann sich leicht in Hass verwandeln. Ohne erkennbaren Grund und auch ohne, dass ein Sinn darin liegt. Es gibt Menschen, die hassen einfach, und sie merken nicht, dass dieses Gefühl sich gegen sie selbst wendet und sie zerstört.“
    Die Chinesin hatte ohne jede Bitterkeit gesprochen, doch Inken spürte den tiefen Schmerz hinter ihren Worten. Stimmte denn, was sie da sagte? Tatsache war, dass Inken ihren Onkel gehasst hatte und dass ihm ihre tiefe Abneigung, wie sie nun erkannte, Macht über sie gegeben hatte. Hass und Liebe lagen eng beieinander. Beides bedeutete, dass man jemandem tiefe Gefühle entgegenbrachte und dadurch angreifbar, verletzlich wurde. Da war Gleichgültigkeit in jedem Fall besser! So wie die Burschen dieser Chinesin gleichgültig waren. Ihre Abneigung traf sie nicht. Doch die Jungen selbst wurden von ihrem Hass zerfressen. Das war das Geheimnis!
    „Es tut mir leid, dass diese Leute ihre Ablehnung durch Steine ausdrücken. Wie schlimm muss es sein, mit der Angst zu leben, dass ... “
    Die Chinesin unterbrach Inken. „Ach, dieses kleine Spielchen war doch nichts. Es gibt so viel Schlimmeres auf der Welt. Man darf sich nicht zu lange mit vergangenem Schrecken belasten!“
    Mit schräg gelegtem Kopf musterte sie Inken.
    „Diese unwürdige Frau freut sich vielmehr darauf, jetzt eine Tasse Tee zu trinken.“
    Inken lächelte.
    „Ich freue mich auch.“ Schalk trat in ihre Augen. „Wie heißt diese ,unwürdige‘ Frau eigentlich?“
    „Ihr Name ist Sumi“, lachte die Chinesin hinter vorgehaltener Hand. „Und wie wird die Frau mit dem Feuerhaar genannt?“
    Als Inken ihren Namen aussprach, verneigte sich die Chinesin erneut. Dann, als habe sie schon zu viel gesagt, hob Sumi das Päckchen, das ihr vorher aus der Hand geglitten war, wieder vom Boden auf und lief voran.
    Inken griff schnell nach ihrem Korb und sammelte ihre herausgefallenen Waren wieder ein. Sie musste sich beeilen, wenn sie die Chinesin nicht aus den Augen verlieren wollte.
Vom Tee und von der Liebe
    Wie ein Wiesel eilte Sumi durch die Straßen, bis sie in die Nähe des Marktplatzes kamen, wo sich die Häuser dicht an dicht drängten. Schließlich blieb die Chinesin vor einem schmalen Gebäude aus roten Backsteinen stehen.
    „Da ist es!“
    Das Haus, auf das sie zeigte, besaß im oberen Bereich drei Sprossenfenster. Darunter war ein Schild angebracht, auf dem „Willems Kruiderrie“ stand. Neben einem großen Fenster im Untergeschoss führte eine rot gestrichene Tür ins Innere des Hauses.
    Inken maß die grelle Farbe überrascht und wies unbewusst mit der Hand darauf.
    „Rot hält Unglück fern.“
    Sumi schien diese einfache Erklärung für ausreichend zu halten und bat Inken einzutreten. Im Luftzug der Tür drehte sich ein Windspiel, und dunkle, sanfte Töne erklangen.
    Sumi ging Inken voran. Das Haus hatte zwei Haupträume im Untergeschoss: die zur Straße gelegene Kruiderrie undeinen rückwärtigen Lagerraum, dazu noch eine kleine Waschküche.
    Während Sumi sich in diese zurückzog, um ihre Wunde

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