Die Friesenrose
ich von ihnen weiß, reicht, um sie mir auf ewig vom Leib zu halten. Und was sollte ich noch dazu mit einem Fremden anfangen, den ich nicht einmal verstehen kann? Er würde ja doch nicht das tun, was ich ihm sage. Und nach Vergnügungen fleischlicher Art steht mir in meinem Alter sowieso nicht mehr der Sinn.“
„Aber, aber“, witzelte Cirk, „so ein leidenschaftlicher Kosak würde dich auch ohne Worte verstehen. Und die Freuden der Lust könnten dich beflügeln, so dass du – um es mit den Worten der Heiligen Schrift zu sagen – wieder jung wirst wie ein Adler.“
„Nach dieser Art von Jugend lechze ich nicht.“ Tjalda schüttelte den Kopf. „Ich genieße meinen Lebensabend lieber alleine und in Frieden und brate mir einen Fisch – das gibt Kraft und hält gesund. Jungchen, mach dein loses Mundwerk zu, nimm ein Bad und geh ins Bett. Wir werden derweil etwas Gutes zum Essen brutzeln und dich dann beizeiten wecken.“
Scheinbar resigniert erhob Cirk sich und folgte ihrer Aufforderung. Tjalda sah ihm nach, doch kaum hatte er den Raum verlassen, glitt ihr Blick zu Inken, die sich jetzt nicht mehr länger zusammenreißen konnte. Tränen traten in ihre Augen, und Tjalda ergriff eine ihrer Hände.
„Dir gefällt es also auch nicht, dass er wieder fortmuss! Das habe ich mir gedacht.“
Inken wollte widersprechen, doch Tjalda schnitt ihr das Wort ab. „Du brauchst nichts zu sagen. Ich bin ganz gut darin, in den Gesichtern anderer Menschen zu lesen. Du liebst diesen Kerl, auch wenn du es dir immer noch nicht ganz eingestehen willst. Außerdem habe ich vorhin schon etwas länger in der Tür gestanden.“
Inken schoss das Blut in die Wangen. Abwehrend hob sie die Hand. „Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob es Liebe ist. Ich kenne ihn doch kaum. Natürlich tut es mir leid, dass er wieder fortmuss. Es tut mir leid für dich und für ihn ...“
Sie hörte selbst, wie falsch ihre Worte klangen, und senkte den Kopf.
„Und es tut dir leid für dich selbst!“ Tjalda nickte bekräftigend. „Nun hör auf, mit mir zu streiten. Dieses alte Mädchen kennt dich doch mittlerweile besser als du dich selbst. Weißt du, hör einfach nicht auf deinen Verstand, sondern folge deinem Herzen, mein Kind. Cirk ist einsam, genauso einsam wie du! Die Menschen hier sehen in ihm einen Helden. Cirk, der Abenteurer, der Blockadebrecher. Doch er gehört nicht wirklich zu ihnen. Cirk ist ein Mann mit Vergangenheit. Ein Mann, von dem keiner weiß, wessen Blut in seinen Adern fließt. So jemand lässt sich nicht einschätzen, noch dazu wenn er spöttische Reden führt. Das lässt die Menschen zurückschrecken. Sie vertrauen ihm nicht wirklich. Die Herzen der Mädchen fliegen ihm zu, seinem Äußeren, dem, was er tut. Doch niemals würden ihre Mütter eine Verbindung mit einem Mann wie ihm gutheißen. Dabei ist er mittlerweile reich und verdient sein Geld im Schlaf. Drei Schiffe fahren für Cirk, und manchmal, wenn das Fernweh zu stark wird, fährt er als Kapitän auf der Anna in die Karibik, oder wohin auch immer die Sehnsucht ihn treibt. Ich sterbe jedes Mal tausend Tode, wenn Cirk auf dem Meer ist.“
Tjalda seufzte.
„Er weiß das, und trotzdem bleibt er nie lange an Land. Weil es hier nichts gibt, was ihn hält, weil er hier nicht wirklich zu Hause ist. Denn zu Hause ist man nur dort, wo das Herz wohnt. Dieser Mann ist immer auf der Flucht vor sich selbst und auf der Suche nach neuen Herausforderungen. So, als ob er sich immer wieder von Neuem an seine Grenzen bringen muss. Inken, Cirk ist ein Mensch, der jemanden braucht, der ihn liebt. Ich glaube, die Suche danach treibt ihn um. All seine Leichtigkeit, seine Gleichgültigkeit, all sein Spott sind nur vorgetäuscht. Doch wie lange hält ein Mann es aus, immer eine Maske zu tragen? Wann wird das Herz bitter und resigniert auf der Suche nach einem Menschen, dem es sich ganz anvertrauen kann? Inken, ich glaube, du bist der Mensch, nach dem Cirk zeit seines Lebens gesucht hat. Sag ihm, dass du ihn liebst. Lass nicht zu, dass er ohne dieses Wissen wieder in den Kampf zieht!“
Inken saß wie angewurzelt auf ihrem Stuhl. Tjaldas Worte berührten etwas in ihrem Inneren, und sie erkannte, dass sie diesen Mann liebte – vom ersten Augenblick ihrer Begegnung an. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Schlag.
„Du brauchst nichts zu sagen, mein Kind. Überleg es dir gut, doch überlege nicht zu lange. Das Meer ist mein großer Feind, das Schlachtfeld könnte deiner werden. Lass Cirk nicht
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