Die Friesenrose
Sie haben ihr Leben für eine gute Sache gegeben, für die Befreiung ihrer Heimat. Sie haben unsere Feinde besiegt!“
„Unsere Feinde.“ Cirk schnaubte verächtlich. „Wer hat sie denn zu unseren Feinden gemacht? Napoleon hat den Franzosen eingetrichtert, dass wir ihre Feinde sind und dass es nichts Besseres, ja Heiligeres gibt, als uns zu töten oder zu unterwerfen. Und die Soldaten haben ihm geglaubt. Sie sind verblendet und belogen worden. Nur so ist es zu erklären, dass Brüder einander auf dem Schlachtfeld begegnen müssen. Doch einerlei, welcher Trommel wir folgen, einerlei, welche edlen Gedanken uns eingetrichtert wurden – beim Krieg, bei allen Kriegen geht es in Wirklichkeit nur um Macht und Geld,Menschenleben zählen nicht. Aber das begreifen die Wenigsten. Ihre Köpfe und Ohren sind voll vom Schlachtruf und Feldgeschrei, sie vermeinen um Ehre und Ruhm zu kämpfen und für das Richtige, das Wahre. Einmal ist es die Befreiung des Grabes Jesu aus den Händen der Ungläubigen, ein anderes Mal der Kampf um die Freiheit. In alldem liegt eine solche Sinnlosigkeit.“ Cirk verstummte resigniert.
„Du wirst diese Sinnlosigkeit aber nicht ändern, mein Junge.“ Tjalda stand in der Tür. Mit großen Schritten kam sie auf den Sessel zu, um Cirk in ihre Arme zu schließen. Für einen Augenblick lehnte er seinen Kopf an ihre Schulter.
„Aber du könntest es schaffen, Tjalda. Gegen dein Mundwerk würde selbst der größte Kriegsaufwiegler nicht ankommen. Bin ich froh, wieder zu Hause zu sein.“
„Und ich erst, mein Junge, und ich erst!“
Mit einer energischen Geste wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann erst bemerkte sie seine Erschöpfung.
„Wir packen dich, glaube ich, zunächst einmal besser ins Bett. Du siehst ja aus wie ein Geist. Schlaf ist immer noch die beste Medizin. Außerdem werde ich uns etwas Gutes kochen. Reichlich abgemagert ist er, nicht wahr, Inken? Und ein Tee wird ihm auch guttun.“
„Und ein Bad“, fügte Inken trocken hinzu und rümpfte die Nase.
Cirk grinste die Frauen an. „Ach, wie gut fühle ich mich hier doch aufgehoben. Das habe ich auch all die Monate vermisst: diese Ehrlichkeit.“ Er ließ sich seufzend in den Sessel zurückfallen. „Und die Bequemlichkeit eines Bettes.“
Für einen Augenblick hielt Tjalda inne. Ihr Blick war ernst geworden. „Eines muss ich noch wissen: Sind die Franzosen jetzt wirklich besiegt, Cirk?“
Dieser wiegte den Kopf. „Es sollen noch mehr als 1000 französische Soldaten und Douanen die Festung Delfzijl besetzt halten. Ein hoher Wall und ein tiefer morastiger Graben machen ihre Erstürmung so gut wie unmöglich. Wir werden die Festung belagern und die Franzosen zur Aufgabe zwingen müssen.“
Als den Frauen die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde, senkte sich für einen Augenblick lähmende Stille über den Raum.
„Das heißt also, dass du wieder fortmusst!“, stellte Tjalda ungläubig und auch traurig fest. Ihre Augen ruhten wissend auf Inken, deren Hand erschrocken zum Mund fuhr.
Cirk nickte. „Schon in wenigen Tagen. Doch die Kosaken werden uns bei der Belagerung helfen. Sie waren auch diejenigen, vor denen sich Napoleons Soldaten am meisten gefürchtet haben. In ihrer seltsamen Kleidung, bewaffnet mit langen Lanzen, haben sie die Franzosen in die Flucht getrieben. Ohne die Kosaken hätten wir es kaum geschafft, und jetzt lagern sie vor der Stadt und weigern sich, die Gastfreundschaft der Emder anzunehmen. Sie sind schon ein eigensinniges Völkchen, genau wie wir Ostfriesen.“
Einen Augenblick sagte niemand etwas, dann aber straffte Tjalda energisch die Schultern.
„Die Festung dort in Delfzijl werdet ihr schnell ausgeräuchert haben, mein Junge. Vielleicht ist es auch ganz gut, dass die Kosaken vor den Toren der Stadt lagern. Denn je weniger Kraft sie bei den willigen Weibern Emdens verbrauchen, desto mehr können sie darauf verwenden, den restlichen Franzosen Beine zu machen.“
Sie legte nachdenklich einen Finger an die Nase. „Hier, innerhalb Emdens, brauchen wir also wirklich keine Franzmänner mehr zu fürchten?“
„Nein, Gott sei es gedankt. Wir haben alle vertrieben.“ Cirk beugte sich zu Tjalda vor und zwinkerte ihr schelmisch zu. „Tun dir die Kosaken denn gar nicht leid? Wo sie doch im Gegensatz zu mir von keiner einzigen Frau umsorgt werden. So ein kerniger Kosak, dass wäre doch was für dich, Tjalda, oder?“
„Hör mir auf mit Männern!“ Tjalda hob abwehrend die Hand. „Was
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