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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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Zeit und Raum sich auflösten und ihre Körper die richtigen Antworten gaben.
    Inkens Haut schien unter Cirks Händen zu schmelzen. Ihr Herz klopfte wie rasend, doch ihre beiden Körper bewegtensich langsam. Jeder Kuss, jedes Streicheln war wie eine Verheißung. Die Angst, sich selbst zu verlieren, fiel von Inken ab. Sie konnte, sie wollte sich ganz verlieren, sich fallen lassen in die Arme dieses Mannes, der ihr alles bedeutete. Sie wollte ganz und gar bei ihm sein. Was gestern war, zählte nicht mehr. Das Ziel all ihrer Wege war diese Liebe gewesen. Mit jedem Kuss löste sie sich mehr und mehr im Feuer auf, um wieder neu zu werden. Es war ein Nehmen und Geben, ein Sich-Binden, das frei machte, ein Aufgeben seiner selbst, um sich, jeder im anderen, wiederzufinden. Kein Wort fiel zwischen ihnen beiden, und erst als die Nacht schon den Morgen ahnte, schliefen sie eng aneinandergeschmiegt ein.
    Als Inken erwachte, durchflutete bereits Morgenlicht den Raum. Cirk schlief noch. Zärtlich strichen ihre Fingerspitzen über seine Nase, Wangen, Wimpern und Augen, als könne sie sich dadurch jede Linie des geliebten Gesichtes unauslöschlich einprägen. Niemals hatte sie zu träumen gewagt, dass Liebe so sein könnte. Niemals zuvor hatte sie sich einem Menschen so verbunden gefühlt.
    Tief atmete sie ein. Was immer die Zukunft mit sich brachte, niemals mehr würde sie diese Leidenschaft vergessen, diese Leidenschaft und Cirks Zärtlichkeit. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie wollte nicht, dass er ging. Der bevorstehende Abschied war so grausam, so falsch.
    In dieser Nacht hatten sie sich aneinander gebunden, sich einander versprochen mit Herz, Leib und Seele. Inken hatte Cirks innere Wunden gespürt, als wären es ihre eigenen, und Cirk hatte ihre abgrundtiefe Einsamkeit ausgelotet. Und nun würde sie diesen Mann verlieren, kaum dass sie ihn gefunden hatte. Ein Schluchzer entrang sich ihrer Kehle.
    Langsam schob sie die Decke zur Seite, schlüpfte aus demBett und schlich auf Zehenspitzen zur Tür, wo sie sich noch einmal umwandte und Cirk betrachtete.
    Diese Nacht musste sich dem Morgen beugen, und die Ahnung eines Schattens überfiel Inken. Sie schauderte und wusste nicht, warum. Würde der Abschied, das, was kam, ihrer Liebe etwas anhaben können?
Geschenkte Tage
    Der Sommer war noch einmal zurückgekehrt, und warmer Regen klopfte ans Fenster. Tjalda wirbelte durch die Küche und bereitete das Frühstück vor, während Inken mit abwesendem Gesichtsausdruck auf der Bank mit den karierten Kissen saß. Immer wieder streifte Tjaldas Blick sie, doch Inken bemerkte es nicht. Sie fühlte sich von einem Gefühl durchdrungen, das ihr den Kopf leicht werden ließ. Keinen Augenblick verließ sie der Gedanke an Cirk. So musste sich Glück anfühlen! Sie spürte es förmlich in sich pulsieren.
    Währenddessen plauderte Tjalda unentwegt mit ihr. „Mir schien es wie ein Traum, als ich gestern plötzlich Cirks Stimme hörte“, meinte die Freundin gerade. Doch der Sinn ihrer Worte drang kaum zu Inken durch. „Sag mal, Mädchen“, baute sich Tjalda schließlich vor ihr auf. „Was ist eigentlich los mit dir heute Morgen? Ich rede und rede und du hörst mir gar nicht zu!“
    Die beiden Frauen waren einander in den letzten Wochen sehr nahegekommen. Die gemeinsamen Pflichten, Sorgen, Enttäuschungen, aber auch amüsanten Begebenheiten hatten eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen wachsen lassen. Weshalb es Inken nun auch nicht weiter schwerfiel, sich Tjalda anzuvertrauen.
    „Ich habe es ihm gesagt.“ Ganz leise kamen ihre Worte. „So, wie du es mir geraten hast.“ Sie blickte Tjalda dabei nicht an, sondern schaute nach draußen. Der Regen hatte die Möwen in die Stadt zurückgelockt. Sie ließen sich vom Wind hertragen und gaben schrille Schreie von sich. Und so fern wie die Möwen der Erde zu sein schienen, so fern fühlte sich Inken allem Alltäglichen. Wie eine Schlafwandlerin hatte sie die letzen Stunden zugebracht. Seit der gemeinsamen Nacht mit Cirk kam ihr alles so anders vor.
    „Oh!“ Tjaldas Augen weiteten sich. „Das finde ich großartig.“ Sie strahlte die Freundin an. „Und was sagt er dazu?“
    „Ich finde es auch großartig.“ Cirk stand in der Tür und lachte. Inken errötete. Wie lange mochte er schon dort gestanden haben? Sie hatte ihn nicht kommen hören und wagte kaum, ihn anzuschauen. Warum war sie nur so heimlich, wie nach einer verbotenen Tat, aus seinem Zimmer geschlichen? Da war die Angst gewesen, dass

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