Die Friesenrose
Walfangschiff an. Alle kehrten unversehrt und schwer beladen wieder zurück.“
„Ja, des einen Not ist des anderen Brot.“ Tjaldas Stirn legte sich in Falten. „Und wenn die Verantwortlichen etwas klüger gewesen wären, dann hätten wir ein bisschen länger was von dem Brot gehabt. Die neutrale preußische Flagge wurde schließlich von allen akzeptiert. Als die Engländer den Franzosen den Krieg erklärten, lagen auf der Emder Reede Schiffe mit Flaggen aus aller Herren Länder. Aber nein! Mit dem Frieden war es ganz schnell vorbei, weil die Preußen ja unbedingt dieses unglückselige Bündnis mit den Franzosen eingehen mussten.“ Tjalda gab einen verächtlichen Laut von sich. „Da lassen diese preußischen Narren sich fangen mit dem Versprechen, Hannover, das ja mit England in Personalunion vereinigt war, würde ihnen bei einem Sieg der Franzosen zufallen. Bei einem Sieg! Das konnte doch nur bedeuten, dass wir in einen Krieg mit hineingezogen werden sollten. Gleich nach der Unterzeichnung drängten die Franzosen dann auch darauf, den Engländern das Anlaufen der preußischen Häfen zu verbieten. Und nachdem wir dieser Aufforderung gefolgt waren, kam natürlich umgehend die Kriegserklärung derEngländer.“ Sie schauderte. „Wie dumm war es doch, unsere Neutralität aufzugeben! Die typische Weitsicht der Männer eben! Danach ging es natürlich nur noch bergab. Aber das wissen wir ja alle.“ Sie blickte in die Runde.
„Nur zu gut.“ Bonné nickte. „Ich sehe noch genau vor mir, wie nur wenige Tage nach der Niederlage bei Jena und Auerstädt im Oktober 1806 französische Truppen des neu gegründeten Königreiches Holland in Ostfriesland einmarschierten. Die Kontinentalsperre wurde verkündet, und wir waren mittendrin, im Krieg.“
Für einen Moment hingen alle ihren Gedanken nach. Dann erhob sich Inken. Sie reckte und streckte sich, und erst jetzt wurde den anderen bewusst, wie spät es geworden war.
„Wir haben den Krieg erlebt, jeder auf seine Weise.“ Tjaldas Worte kamen leise.
„Ja, wir haben ihn erlebt“, pflichtete Inken ihr bei und dachte an ihre Flucht von Borkum und ihr Exil im Moor. „Er hat lange gedauert. Doch jetzt ist er vorbei, und wir haben den Frieden zurückgewonnen“, schloss sie triumphierend.
„Und das erinnert mich nun wieder an den Anfang des Abends und an unsere Idee. Ich bin mir sicher, dass wir es nun mit vereinten Kräften schaffen werden, die Emder doch noch für unsere Kruiderrie zu gewinnen.“ Tjalda warf sich in die Brust. „Und das wird dann unser ganz persönlicher Sieg sein!“
Bonné richtete sich zu seiner vollen, wenn auch nur geringen Größe auf. „Vergiss dabei aber nicht, dass es der Idee eines Mannes bedurfte, um das Geschäftliche denn auch ins Rollen zu bringen!“, meinte er zufrieden und mit einem ergebungsvollem Blick auf seine Angebete: „Vielleicht solltest du solch einen guten Ratgeber noch mehr an dich binden, Tjalda.“
Die drohte ihm zur Antwort scheinbar erbost mit der Faust, und Bonné trat daraufhin gespielt fluchtartig den Heimweg an.
Die drei Frauen schauten ihm lachend nach, bis Tjalda leicht den Kopf schüttelte. „Also manchmal könnte ich ja tatsächlich schwach werden, bei so viel Hartnäckigkeit. Doch ich glaube, ich kann mich beherrschen.“ Mit einem ernsten Blick wandte sie sich wieder der Chinesin zu. „Sumi, ich möchte diesen Abend nicht in Trauer enden lassen, doch das Ende deiner Geschichte fehlt noch, nicht wahr?“
„Richtig.“ Sumi legte die Fingerspitzen aneinander. „Die Geschichte dieser Frau hat ihren Anfang genommen mit dem Mann ihres Herzens, und mit ihm soll und muss sie auch enden. Der geliebte Mann dieser Chinesin hat das Ende des Krieges nicht mehr miterleben können. Er verfiel einer heimtückischen Krankheit, die ihn mehr und mehr schwächte. Verschiedene Ärzte taten ihr Möglichstes, doch weder ihre Bemühungen noch die bescheidenen Heilkünste dieser Chinesin vermochten das Leben des verehrten Mannes zu verlängern. Es war ein langer und bitterer Leidensweg. An seinem Ende blickte diese trauernde Chinesin, genauso wie der geliebte Kranke, dem Tod voller Freude entgegen. Denn wenn das Leben zur Qual wird, dann kann der Tod auch ein Freund sein. Aber ich glaube“ – sie wandte sich Inken zu –, „dies habe ich der Freundin schon erzählt.“
Inken nickte und fuhr ganz sanft über den Ärmel von Sumis chinesischem Gewand. Die leuchtenden Sterne auf dunklem Blau schienen den Himmel zu
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