Die Friesenrose
schicken, und danach entscheidet sie, welche Sorten gekauft werden.“
Die Kundin runzelte ihre Stirn. „Kann die Chinesin aus diesen Sorten wirklich den besten Tee erschmecken?“
„Ja.“ Inken nickte zur Bestätigung mit dem Kopf. „Sumi hat wirklich einen beachtlich feinfühligen Gaumen.“
Wofür sie aber auch einiges tut, dachte sie bei sich. Denn Sumi aß weder Zwiebeln, noch rührte sie jemals Alkohol an. Nichts, was ihren Geschmack beeinträchtigen konnte. Die Art und Weise des Teeverkostens hatte sie aus ihrer Heimat mitgebracht, und mittlerweile gelang es auch Inken schon, guten von schlechtem Tee unterscheiden.
Sumi nahm für ihr Friesengold nur schwarzen Tee. „Diese bescheidene Teekennerin findet, dass der herbe, kräftige Schwarztee besser zu den Menschen hier passt. Sie haben nichts von der Zartheit der Chinesen, denen der grüne Tee gut zu Gesicht steht“, hatte sie ihre Entscheidung begründet.
Wichtig für die Qualität guten Tees waren Frische und Alter der Blätter. Je jünger das Blatt, desto besser die Qualität. Sumi konnte schon anhand ihres Aussehens die Güte der einzelnen Teesorten unterscheiden. Um sicherzugehen, kostete sie den Tee dann aber noch. „Vorschmecken“ , nannte sie dies. Sumi benutzte dafür acht verschiedene Porzellankannen, in denen sie jeweils die exakt gleiche Menge an Tee mit siedendem Wasser aufgoss. Inken musste lächeln, als sie an das herrliche Aroma dachte, das beim Aufguss der verschiedenen Sorten den Raum erfüllte. Etwas wie Erwartung lag dann in der Luft, als spürten die Teeblätter, die nur eine kurze Zeitspanne ziehen durften, dass eine Meisterin ihren Wert maß.
„Wer zu lange wartet, wird bitter“, pflegte sie zu sagen, „und so geht es auch dem Tee.“
Danach goss sie blitzschnell aus jeder der acht Kannen Tee in dafür bereitgestellte Schalen. Das Verkosten war eine Philosophie für sich!
Inken wusste um das ganz eigene Gefühl, wenn man den Tee schlürfte, um ihn mit der nötigen Menge Luft anzureichern, das Getränk anschließend im Mund umherrollte, gurgelte und dann mit geschlossen Augen dessen Wert beurteilte. Wie von selbst kamen einem Begriffe wie „mild“, „nussig“ und „blumig“ in den Sinn.
Sumi traf ihre Wahl mit untrüglicher Sicherheit. Sie ließ nicht nur den Gaumen, sondern auch ihre Nase entscheiden. Der Duft des Tees, sein lebendiger Atem, war wichtiger Bestandteil des Vorschmeckens .
„Dies ist ein sehr feiner, leichter, blumiger Tee der ersten Ernte, mit hohem Knospenanteil“, sagte sie beispielsweise und schob die Schale nach hinten. Ein Zeichen dafür, dass sie den Tee kaufen würde. Oder sie verzog das Gesicht und entschied, es sei ein „Tee mit unreifem Geschmack, nicht einmal gut genug für einen Hund!“ Dann blieb die Schale an ihrem Platz stehen.
Aus den verschiedenen wirklich guten Teesorten mischte Sumi das Friesengold , und so konnte Inken der Kundin guten Gewissens noch einmal bestätigen, dass der Tee in der Kruiderrie auch wirklich der Beste war.
Zufrieden reihte sich diese in die Schlange ein. „Das schmeckt man auch! Mein Gott, es ist Jahre her, dass ich so hervorragenden Tee getrunken habe. Das war noch vor den Franzosen. Dafür warte ich gerne.“
„Dann nehme ich auch ein Viertelpfund“, schloss sich eine andere Kundin an, und Inken schmunzelte. Der Teeverkauf brummte! Wie ein Lauffeuer hatte sich die Neuigkeit verbreitet, dass hier in der Kruiderrie nicht nur Tee ausgeschenkt, sondern auch eine ganz besonders schmackhafte Mischung verkauft wurde. Sumi kam mit dem Abfüllen kaum nach und arbeitete manchmal bis spät in die Nacht, wenn Inken schon lange nach Hause gegangen war.
Sie wohnte immer noch bei Tjalda, verließ allerdings jeden Tag frühmorgens das Haus und stand schon, bevor der Laden aufmachte, in Sumis Küche, um Kuchen zu backen. Mandelkuchen und Tee, dazu eine Atmosphäre der Ruhe und Behaglichkeit – das war alles, was zufriedene Kunden brauchten.
Morgen würden sie wieder zu Janssens Teekiste , der großen Teeimportfirma am Hafen, fahren. Wie gut, dass Sumi ganz genau wusste, welche Sorten sie brauchte. Diese wurden dann kistenweise eingekauft und mittels Tauwerk bis untersDach des Hauses gehievt, wo Sumi die Mischungen auf dem „Teeboden“ auch gleich zusammenstellte. Dazu verwendete sie ein einfaches, an beiden Seiten abgerundetes Teemischbrett aus Blech. Die genaue Zusammensetzung des Friesengoldes blieb ihr Geheimnis. Sie entnahm den verschiedenen Teekisten
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