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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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Wagnis einzugehen, nicht mehr für fremde Haushalte zu kochen, sondern eine eigene kleine Suppenküche zu eröffnen. ,Die beste Entscheidung meines Lebens’, nannte sie diesen Schritt später.“
    „Deine Großmutter war eine mutige Frau, genauso wie du.“ Nachdenklich betrachtete Inken die Geldhändlerin.
    „Aber im Gegensatz zu mir war meine Großmutter sehr beliebt.“ Inken wollte eine gegenteilige Bemerkung machen, doch Tjalda winkte ab. „Ich weiß, dass die Wenigsten hier in Emden ein gutes Haar an mir lassen. Doch damals, in Bremen, war selbst ich der Liebling vieler Menschen. Vielleicht weil Rosa immer in meiner Nähe war. Sie zog die Menschen an wie das Licht die Motten. Ihre Suppen sorgten nicht nur für gefüllte Bäuche, ihre Lebensfreude erwärmte die Herzen der Menschen. Niemals hörte ich ein böses Wort von ihr. Sie ließ mich völlig ohne Zwänge aufwachsen, vielleicht, weil ihr selbst die Freiheit über alles ging. Im Sommer lief ich barfuß durch das Gras und durfte spielen, mit wem ich nur wollte. Meine Kleidung war stets verdreckt, wie die der Gossenkinder, aber das machte ihr nichts aus. Natürlich hatte ich auch Pflichten. Sie schickte mich zur Schule, und ebenso hatte ich im Haushalt meine kleinen Aufgaben. Das Füttern der Hühnerbeispielsweise und das Einsammeln der Eier. Oder Unkraut jäten zwischen den Gemüsebeeten.“
    Für einen Moment schwieg Tjalda. Sie schloss die Augen und sah sich als junges Mädchen summend im Garten arbeiten. Und wie sie es geliebt hatte, nach einem langen Tag noch am Hafen zu sein. In Gedanken sah sie sich die Schürze herunterreißen, aus dem Garten rennen und durch die Stadt den Weg an der Kirche vorbeilaufen, der zum Wasser führte. Da war der große Stein am Hafen, auf dem sie immer gesessen und in den Himmel gestarrt hatte. Und da waren die rosigen Abendwolken, schillernd wie Fischleiber im Sonnenlicht, die sich im Wasser gespiegelt hatten. Wie gern sie mit den Wolken geflogen war, bis ihre Gedanken sich mit denen ihres Vaters auf einem der Weltmeere vereint hatten.
    Die Geldhändlerin öffnete die Augen, griff erneut nach ihrem Becher und trank einen Schluck. Es war anstrengend, in alten Erinnerungen zu schwelgen, anstrengend, aber auch schön. Was würde sie dafür geben, noch einmal ihren Vater zu sehen, noch einmal mit Rosa reden zu können. Erneut fühlte sie den Verlust von damals und verstand plötzlich, dass die Zeit ihre Wunden zwar lindern, aber niemals heilen würde. Aber wie glücklich konnte sie sein, dass gerade diese zwei Menschen sie ein Stück weit ihres Lebens begleitet hatten. Und sie konnte ebenfalls glücklich sein für die beiden Menschen, die nun mit ihr zusammen am Tisch saßen. Tjalda lehnte sich im Stuhl zurück. Noch einmal gingen ihre Erinnerungen zu dem ihr unbekannten Großvater zurück, der ihrer Rosa das Leben so schwer gemacht hatte.
    „Ich hasse nichts mehr als Trunkenbolde und Großmäuler. Und da fast alle Männer die eine oder die andere Eigenschaft besitzen, halte ich sie mir lieber vom Leib“, sagte sie schließlich mit fester Stimme.
    „Du kannst doch nicht alle Männer dieser Welt über einen Kamm scheren.“ Inken schmunzelte.
    „Das tue ich aber! Kannst du mir eine Frau nennen, die Vorteile davon trägt, verheiratet zu sein?“
    Inken runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“
    „Was ich mir schon seit Jahren sage, ist, dass Frauen eigentlich fast alles besser können als Männer. Sie sind fleißiger, arbeiten sorgsamer und halten ihr Geld zusammen. Ich weiß es aus eigener Erfahrung. Es gibt zwar auch Frauen, die sich von mir Geld borgen, aber sie zahlen es brav und pünktlich zurück. Da geht es bei den Herren schon anders zu. Und wenn ich nur an all die Frauen denke, die ihr Geld bei mir anlegen. Sie stellen sich dabei geschickter und klüger an als die Männer und bauen mehr auf Sicherheit, während man den Männern nur zu schmeicheln braucht, und schon lassen sie sich auf ein riskantes Geschäft ein. Ich bin eine ehrliche Haut, doch du kannst darauf wetten, dass es viele Geldhändler gibt, die diese Schwäche ausnutzen. Ich glaube, wenn man uns Frauen die Zügel in die Hand gäbe und wir alle wichtigen Entscheidungen zu treffen hätten, dann wäre das Leben geordneter. Männer kommen mir manchmal vor wie große Kinder. Es fehlt ihnen an Weitblick und Einfühlungsvermögen. Außerdem sind sie längst nicht so mutig, wie sie uns glauben machen wollen. An dem Spruch ,Ein Mann ohne Weib kommt auf den

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