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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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der dich töten will.
    Klopf-klopf. Wer da? Michael, dein Mann, der eine andere heiraten wird.
    Klopf-klopf. Wer da? Chelsea, deine Tochter, die glaubt, dass du sie nicht mehr liebst.
    Klopf-klopf. Klopf-klopf. Klopf-klopf.
    Ich liege in meinem Krankenhausbett und blicke auf die grün leuchtende Zackenlinie eines Herzmonitors. Draußen im Flur scheint viel los zu sein. Überarbeitete Schwestern, Murrende Patienten und zirpende Apparate. Ich konzentriere mich auf die weiße Wand gegenüber, auf den spiegelblanken Handlauf am Fußende des Bettes. Das schwere schwarze Telefon drückt auf die Decke über meinen Beinen. Den Blick wieder auf den Monitor gerichtet, wundere ich mich, dass mein gebrochenes Herz überhaupt noch schlägt.
    Meine Seite tut mir weh. Der weiße Verband hat einen roten Fleck. Ein heißer Schmerz macht sich im Innern bemerkbar. Vielleicht habe ich eine Infektion, die mein Blut vergiftet und auf lebenswichtige Organe übergreift. Ich sterbe hier in diesem Zimmer und muss nicht mehr nach Hause zurück.
    Klopf-klopf.
    Wer da?
    Evan.
    Evan wer?
    Evan, der kleine Junge, der dich liebt.
    Klopf-klopf.
    Wer da?
    Evan.
    Evan wer?
    Evan, der kleine Junge, der dich töten will.
    Ein Gedanke streift mich, erst flüchtig, setzt sich aber plötzlich fest. Ich möchte so nicht mehr leben. Ich will nicht mehr die Person sein, die ich bin. Ich muss einen neuen Weg finden, mich bewegen, auch wenn es mich umbringt. Womöglich sterbe ich ja ohnehin schon.
    Ich denke an Sommersand und erinnere mich daran, wie ich das erste Mal meine beiden Kinder im Arm hielt. Und ich erinnere mich an den Ausdruck in Michaels Gesicht, als er mir eröffnete, mich verlassen zu wollen.
    So viele Träume, die nie wahr geworden sind. So viel Liebe, die ich gegeben habe, ohne dass sie mir erwidert wurde.
    Klopf-klopf.
    Wer da?
    Victoria.
    Victoria wer?
    Tja, das wäre dann wohl die Millionen-Dollar-Frage. Victoria wer?
    Ich muss hier raus. Jetzt weiß ich nämlich ganz genau, was ich tun werde.

[zur Inhaltsübersicht]
    33 . Kapitel
    Richtig zu meditieren war anscheinend nicht leicht, was erklärte, warum D. D. es nie versucht hatte. Anfangs wurde viel Tamtam um eine möglichst bequeme Sitzposition gemacht. Die meisten Mitarbeiter nahmen auf dem Boden Platz, die erfahrenen im Lotussitz, andere mit dem Rücken zur Wand und mit ausgestreckten Beinen.
    Nicht weniger wichtig war es offenbar, dass jeder ausreichend Freifläche hatte und von anderen nicht gestört wurde. Selbst Greg und Danielle, die verspätet zu dieser Party erschienen, hielten Abstand. Er setzte sich in den Gang, während sie einen Platz unweit von D. D. wählte.
    Die junge Schwester blickte zu ihr auf und öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen. Doch dann presste sie die Lippen aufeinander, schloss die Augen und wandte das Gesicht der Stelle zu, wo Lightfoot auf einem Tisch hockte, die Handgelenke auf den Knien ruhend und die Finger nach oben gerichtet. In Griffweite neben ihm stand eine Flasche mit grünem Eistee.
    Er sprach mit fester, melodiöser Stimme. D. D. fand, dass er immer noch sehr müde aussah. Aber es war ja auch schon nach Mitternacht. Sie und ihre Kollegen waren ähnlich erschlagen und nahmen nur deshalb an dieser Runde teil, weil sie sich ein wenig Entspannung erhofften.
    Karen, die Stationsleiterin, saß neben der Tür zum Verwaltungstrakt. Sie hatte ihre Brille abgelegt. Ein Bär von Mann – Ed, wie D. D. vermutete – saß nicht weit von ihr entfernt und zur Linken jener jüngeren Frau mit den kurzen schwarzen Haaren – Sissy? Cecille? Mit von der Partie waren drei weitere MC s sowie eine Krankenschwester namens Janet. Nur Tyrone fehlte in der Runde, da er Wachdienst hatte und alle fünf Minuten nach den Kindern sehen musste. Weil inzwischen auf der Station alles ruhig war, stand er mitten im Flur, vis-à-vis der Sergeantin, die ebenfalls auf den Beinen geblieben war.
    Alle beisammen
, dachte sie, neugierig darauf, was nun passieren würde.
    «Langsam einatmen», intonierte Lightfoot. «Stellen Sie sich vor, die Luft strömt durch sämtliche Poren und füllt den gesamten Körper mit frischem Sauerstoff. Beim Einatmen zählen wir eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Jetzt ausatmen und bis fünf zählen …»
    D. D. lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Unwillkürlich atmete sie nach Lightfoots Vorgabe, zwang sich aber dann zu einem eigenen Rhythmus und fühlte einen leichten Schwindel.
    Alex

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