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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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verlassen? Zweieinhalb Stunden sind eine lange Zeit …»
    Ich schüttelte den Kopf über meine eigene Verwirrung. «Mein ganzes Denken kreiste immer um die Frage, ob mich mein Vater verschont hat, weil er mich so sehr liebte oder so sehr hasste. Jetzt denke ich nur noch an diese zweieinhalb Stunden, in denen ich mich in meinem Bett unter der Decke versteckt gehalten habe.»
    «Danielle –», begann Greg.
    «Wir haben was abgemacht. Kein Mitleid.»
    «Und ein Abendessen in zwei Wochen.»
    «Ja, ohne Mitbewohner.»
    Er grinste. Ich war erleichtert und hätte fast den blauen Fleck berührt, den meine Faust auf seinem Kinn hinterlassen hatte.
    «Als Freundin tauge ich nicht besonders», warnte ich ihn und hörte die scharfe Note in meiner Stimme. «Aber ich könnte es ja mal versuchen. Es wird Zeit, endlich mit dem Vergessen anzufangen. Und dem Vergeben. Aber das ist alles neu für mich. Im Wütendsein bin ich besser.»
    «Danielle –»
    «Meine Eltern und Geschwister sind tot. Ich lebe noch. Damit muss ich endlich klarkommen.»
    «Darf ich jetzt was sagen?»
    «Schieß los.»
    «Wie lange kennen wir uns schon?»
    «Jahre.»
    «Fünf, um genau zu sein. Seit zwei Jahren versuche ich, dich zum Essen einzuladen. Du darfst ruhig wütend sein, Danielle. Damit komme ich klar. Und du darfst traurig sein. Bin ich selbst manchmal. Aber wenn du vergeben und vergessen willst, würde ich mich freuen, dir dabei helfen zu können. Vielleicht lerne ich selbst was dabei. Jedenfalls brauchst du dich nicht zu verändern, Danielle. Nicht für mich.»
    «Bist sehr tapfer.»
    Er lächelte. «Nein, aber bodenständig und ausdauernd. Das bin ich. Was allerdings, wie ich weiß, nicht besonders anziehend auf Frauen wirkt. Trotzdem hoffe ich, dass es für uns reichen könnte.»
    «Bodenständig und ausdauernd klingt super. Ich find’s attraktiv.»
    «Also in zwei Wochen –» Greg unterbrach sich. Er hob den Kopf und schnupperte. «Riechst du auch etwas?»
    Ich roch zuerst nur Käse und Peperoni, aber dann … «Ja.»
    Und da schrillte auch schon der Rauchmelder. Ich hielt mir die Ohren zu und rückte vom Tisch ab. Greg und der Detective waren schon auf den Beinen.
    «Sie bleiben hier –», sagte der Detective.
    Greg fiel ihm ins Wort. «Ausgeschlossen. Nach dem Aufstand am Abend haben die meisten Kinder Medikamente zur Beruhigung gekriegt. Von allein kommen sie nicht aus dem Bett. Wir müssen sie tragen.»
    Greg eilte zur Tür und legte die Hand auf das Holz. «Ist noch kühl», stellte er fest. Er stieß sie auf. Rauchschwaden zogen durch den Flur. Wir hörten einige Schritte.
    Eine Feuerschutzübung war das nicht. Greg und ich schauten die beiden Cops an, und die schauten leicht unentschieden zurück.
    «Schnappen Sie sich eines der Kinder», sagte Greg. «Es sind insgesamt vierzehn, die rausgeschafft werden müssen. Los geht’s.»
     
    Karen koordinierte den Einsatz. Wir fanden sie mit einer Checkliste in der Hand vor der Stationstür, die randlose Brille schief auf der Nasenspitze. Woher der Rauch kam, war nicht auszumachen, aber er zog durch den Flur und strich dicht am Boden um Karens Füße, während sie mit gepresster Stimme die Namen der Kinder vorlas.
    Ed stand in der Nähe und nahm die ersten Kinder in Empfang, ein Trio, das von Cecille hergeführt wurde. Die drei gingen hintereinander und hatten eine Hand auf die Schulter des Vordermannes gelegt, so wie es ihnen beigebracht worden war. Sie trugen noch ihre Pyjamas und waren so müde, dass sie zur Abwechslung mal taten, was ihnen gesagt wurde.
    Plötzlich flog eine Tür auf. Jorge und Benny rannten heraus und geradewegs in das Trio, stießen Aimee zu Boden und sprangen auf eins der Sofas. Sie hielten sich die Ohren zu und übertönten mit ihrem Geschrei die Alarmsirene.
    «Kümmere du dich um Benny und Jorge», sagte Karen mit Blick auf Greg. «Und du», sie sah mich an, «holst –»
    «Evan», fiel ihr Greg ins Wort. «Wir haben dem Jungen vor ungefähr zwei Stunden eine doppelte Dosis Ativan verabreicht. Der schläft wie ein Murmeltier.»
    «Okay.» Karen machte einen Haken hinter Evans Namen und wandte sich an mich. «Hol den Jungen aus seinem Bett.» Und an Greg gerichtet: «Du hältst die Kinder bei Laune.»
    Greg steuerte auf Benny und Jorge zu, während ich mich auf den Weg durch den Flur machte.
    Ich kam an zwei offenstehenden Türen vorbei, aus denen mir verängstigte Kindergesichter entgegenblickten. Am liebsten hätte ich sie gleich in Sicherheit gebracht,

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