Die Frucht des Bösen
«Jedenfalls hat der Täter jetzt eine Feuerwaffe. Der erste Schuss auf Ishy sitzt nicht richtig; also drückt er ein zweites Mal ab. Dann streckt er die Mädchen in ihrem Zimmer nieder. Alle sind tot, bis auf den Säugling.»
D. D. nickte. «Das letzte Mitglied der Familie Laraquette, fünf Monate alt. Kein Zeuge, der dem Täter gefährlich werden könnte. Warum tötet er das Baby?»
Neil und Alex ließen sich Zeit zum Nachdenken.
«Er will die ganze Familie auslöschen», spekulierte Alex schließlich laut. «Vielleicht steht es so in seinem Drehbuch. Nach dem Motto, der Vater dreht durch und begeht ein Massaker. Also muss auch das Baby sterben. Dann wird Hermes auf das Sofa bugsiert und entsprechend drapiert. Der Killer will alles genau so haben.»
«Also kein Bandenkrieg», schlussfolgerte D. D. «Bei einer Gang-Angelegenheit würde der Täter ein Zeichen setzen und seinen Rivalen deutlich machen wollen, was mit ihnen geschieht, wenn sie ihm in die Quere kommen. Und er würde nicht mit vier verschiedenen Waffen hantieren. Viel zu umständlich. Nein, hier geht es nicht um Rache. Dahinter steckt sehr viel mehr. Ich tippe auf ein persönliches Motiv.»
«Reenactment», murmelte Alex.
D. D. fühlte sich unwohl und wusste nicht, warum. «Hermes’ frühzeitiger Tod könnte dem Täter einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Er wollte ihn nur für eine Weile schachmatt setzen, Frau und Kinder töten, den Vater dann aufs Sofa schaffen und ihm die Pistole in die Hand drücken, um das Ende der Geschichte zu inszenieren. Aber Hermes fällt aus der Rolle, weil er schon tot ist. Und hinterlässt uns damit einen ersten Hinweis.»
Alex sagte plötzlich: «Es war seine eigene Pistole.»
Die beiden sahen ihn an. «Wie kommen Sie darauf?»
«Ich ziehe Parallelen», antwortete Alex. «Im Haus der Harringtons wird zuerst der Familienvater ausgeschaltet, nehmen wir an mit einem Taser. Das wird noch zu klären sein. Dann geht der Täter in die Küche, besorgt sich ein Messer und schlägt zu. Jetzt muss er den Tatort so herrichten wie geplant. Er schafft Patrick in die Loggia, steckt ihm die Pistole in die Hand und drückt auf ihn ab. Ende der Vorstellung.»
«Aber Patrick hat überlebt.»
«Das ist das Risiko, das der Kläger mit einer . 22 er eingehen musste», entgegnete Alex. «Fest steht jedenfalls, dass die Pistole auf den Namen Patrick Harrington registriert ist. Sie war in seinem Besitz. Und ich wette, wenn wir seinen Nachbarn Dexter fragen, wird er uns sagen, Patrick habe peinlich genau darauf geachtet, dass seine drei Kinder nicht an die Waffe rankommen. Ich wette, er hatte sie unter Verschluss. Der Killer musste warten, um an sie heranzukommen. Im Unterschied dazu hatte Hermes –»
«Vielleicht hatte er die Waffe im Hosenbund», fiel ihm D. D. ins Wort. «Und Glück gehabt, dass er sich nicht die Eier weggeschossen hat.»
«Andererseits scheint er zu viel Fastfood gegessen zu haben, weshalb ihm dann das Herz stehengeblieben ist.»
«Wie dem auch sei», fuhr sie fort. «Wir müssen also herausfinden, welche Verbindung es zwischen den Harringtons und den Laraquette-Solis gab und aus welchem Grund jemand beide Familie ausgelöscht hat. Dann werden wir ihn schnappen. Am besten noch vor den Fünf-Uhr-Nachrichten. Irgendwelche Vorschläge?»
Sie schaute Alex an. Der richtete seinen Blick auf Neil, der seinerseits D. D. ansah.
«Spuren vergleichen und auswerten», sagte Neil schließlich und zuckte mit den Achseln. «Haare, Fasern, Abdrücke. Vielleicht stoßen wir darüber auf einen Zusammenhang zwischen beiden Tatorten.»
«Erkundigen wir uns beim Straßenverkehrsamt, ob’s Parkknöllchen gegeben hat», sagte Alex. «Der Täter ist wahrscheinlich mit dem Auto gekommen, und wir wissen ja, wie’s zu dieser Jahreszeit mit Parkplätzen aussieht.»
«Und nach Fußspuren vor den Fenstern suchen», schlug Neil vor. «Wahrscheinlich ist der Täter in beiden Fällen erst mal ums Haus geschlichen.»
Jetzt war wieder Alex an der Reihe: «Wir sollten uns die Nachbarn noch mal vornehmen. Der Täter wird häufiger vor Ort gewesen sein, um das Terrain zu sondieren. Wir fragen, ob jemandem ein fremdes Fahrzeug aufgefallen ist, das sich wiederholt in der Gegend gezeigt hat. Oder eine fremde Person, die häufiger aufgekreuzt und wieder verschwunden ist.»
D. D. setzte eine Liste auf und ergänzte sie um zwei eigene Fragen: die nach einem ballistischen Vergleich der Geschosse und eventuell zusätzlichen Befunden
Weitere Kostenlose Bücher