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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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der radiologischen Abteilung umgesehen. Leider gab es dort so gut wie keine Spuren – kein Blut, keine Hinweise auf Kampfhandlungen, keine unerklärlichen Kratzer, Dellen oder Trümmerreste.
    Neil, der seinen Flirt mit der Gerichtsmedizin unterbrochen hatte, um den Hausmeister zu interviewen, konnte auch nichts Neues berichten. Ja, der Hausmeister habe ein Kind in grünem OP -Kittel um die Ecke biegen sehen; ja, ihm sei aufgefallen, dass es ein Seil hinter sich hergezogen hatte, was er durchaus seltsam gefunden hätte. Nein, er habe sich nicht weiter darum gekümmert, weil anderes zu tun gewesen sei.
    Phil hatte erfahren, dass es im Krankenhaus nur an den Ein- und Ausgängen sowie auf der Entbindungsstation Kameras gab. Die Radiologie wurde nicht überwacht.
    Es blieb also fraglich, ob der Raum, in dem sie das tote Mädchen gefunden hatten, tatsächlich auch der Tatort war.
    D. D. machte sich telefonisch daran, ein weiteres Team auf die Füße zu stellen, das Zeugen befragen sollte. Danach sorgte sie dafür, dass die psychiatrische Station rund um die Uhr bewacht wurde. Als sie schließlich das Krankenhaus verließ, konnte sie sich vor Müdigkeit kaum mehr auf den Beinen halten.
    Auf der Treppe zur Tiefgarage blieb sie stehen, kniff sich in den Nasenrücken und wartete, bis der Schwächeanfall vorüber war. Sollten andere sagen, was sie wollten – für sie war der Tod eines Kindes kaum erträglich. Wenn ihr ein solches Schicksal eines Tages gleichgültig sein sollte, würde sie sofort ihren Job quittieren. Aber so weit war es allem Anschein nach noch nicht.
    Die Nacht hatte sie ausgelaugt. Sie wollte nach Hause gehen, duschen und dann auf ihrem Bett in Ohnmacht fallen.
    Typisch, ausgerechnet in diesem Moment ging ihr Handy. Sie blickte aufs Display, konnte die Nummer aber nicht zuordnen. Aus Neugier griff sie zum Handy und nahm den Anruf entgegen.
    «Ich mache mir Sorgen um Sie.» Eine Männerstimme, die sich nach dem ersten Rufzeichen meldete.
    «Mit wem spreche ich?»
    «Andrew Lightfoot.»
    «Woher haben Sie diese Nummer?»
    «Von Ihnen. Sie steht auf der Visitenkarte.»
    D. D. brauchte eine Weile, bis sie sich daran erinnerte, Andrew Lightfoot gegen Ende ihres Besuchs bei ihm ihre Karte zugesteckt zu haben. Routine – sie hatte es völlig vergessen.
    «Ein bisschen früh für einen Anruf, finden Sie nicht auch?» Sie lehnte sich an die Treppenhauswand und richtete den ganzen Rest ihrer Aufmerksamkeit auf das Gespräch.
    «Ich wusste, dass Sie noch auf sind. Ich habe von Ihnen geträumt.»
    Einen solchen Satz hätte D. D. normalerweise üppig kommentiert. Aber nach der schrecklichen Nacht und weil sie für Leute, die sich selbst als Guru bezeichneten, nichts übrighatte, verkniff sie sich jede Bemerkung dazu. «Warum rufen Sie an, Lightfoot?»
    «Nennen Sie mich bitte Andrew.»
    «Nennen Sie mir bitte den Grund Ihres Anrufs.»
    Er zögerte. Interessant, fand sie.
    «Da stimmt was nicht. Ich weiß nicht so recht, wie ich es erklären soll», sagte er schließlich. «Jedenfalls nicht in Begriffen, mit denen Sie etwas anfangen könnten.»
    «Eine Störung im kosmischen Gewebe?», fragte sie trocken.
    «Exakt.»
    Nicht zu fassen. «Legen Sie los», sagte D. D. «Ich höre.»
    «Die negativen Energien nehmen zu. Als ich gestern Abend Ihre Zwischensphären aufgesucht habe, traf ich auf Nischen voller Dunkelheit und unbändiger Wut. Ich konnte ein Summen vernehmen, das ich als die Vibration des großen Bösen deute. Alles Licht war verschwunden. Ich habe noch nie so viele Schatten gesehen.»
    «Die Kräfte des Bösen gewinnen die Oberhand?»
    «In dieser Nacht, würde ich sagen, ja.»
    «Hat es das schon einmal gegeben?»
    «So etwas ist mir noch nie begegnet. Manchmal, wenn ich Meditationsgruppen leite, stolpere ich über eine besonders bösartige Kraft. Doch die Gruppe in ihrer kollektiven Stärke und die exponentielle Kraft des Lichts können diese Negativität unterbinden und unschädlich machen. Letzte Nacht aber … da war es genau umgekehrt. Die Dunkelheit hat immer mehr zugenommen, ist angewachsen und explodiert. Allein und unvorbereitet konnte ich nichts dagegen unternehmen.»
    «Sie hatten eine Panne auf Ihrem spirituellen Highway?»
    «Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen, D. D.»
    «Böse Kräfte fallen nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Was zum Teufel wollen Sie von mir?»
    Andrew schlug einen anderen Ton an. «Sie sind müde. Sie haben eine schlimme Nacht hinter sich.

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