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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Ich tue das aus reiner Zuneigung, mein Junge, aus reiner Nächstenliebe und sonst nichts.«
    Er blickte seinen Enkel an, öffnete den Mund, besann sich dann aber anders. Er zündete sich einen Zigarillo an. Ein paar Regentropfen fielen gegen die Fenstertüren.
    »Ich kann nichts dafür«, sagte er ohne Umschweife. »Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, ihm den rechten Weg zu weisen, und was tut er? Was tut er seiner Frau und seinem Sohn an? Wie hätte ich ihm nur so ein gemeines, so ein niederträchtiges Verhalten beibringen können, hm, denk doch mal eine Minute nach!«
    Evy zuckte die Achseln und hatte große Mühe, sich auf diese Geschichten zu konzentrieren, da ihn seine eigene schon genug beschäftigte und die Wendung, die diese möglicherweise in ganz kurzer Zeit nehmen würde. André fuchtelte mit seinem Zigarillo in der Luft herum und sagte: »Du vielleicht nicht. Aber deine Mutter meint das. Alle meinen das. Alle sagen sich: Seht euch mal diesen Mann an!… Seht euch nur an, wie er seinen Sohn erzogen hat!… Dabei habe ich es bei Richard weiß Gott weder an Zeit noch an Geduld, noch an sonst was fehlen lassen, und was ist das Ergebnis davon? Weißt du eigentlich, welche Schmach man mir hinter meinem Rücken wegen dieses verflixten Kerls antut? Aber wenigstens kann er dir als schlechtes Beispiel dienen, das ist ja schon etwas.«
    Man hörte, wie im Wohnzimmer ein Champagnerkorken knallte. André verzog verächtlich den Mund und knetete dann die Schultern seines Enkels durch, den er mit dem Rücken an eine Maschine gedrängt hatte, die den Effekt einer anstrengenden Schneewanderung mit tonnenschweren Schneeschuhen simulieren sollte.
    »Es kann gut sein, daß wir deinen Vater nicht so schnell wiedersehen, zumindest befürchte ich das. Sein Starrsinn ist geradezu legendär. Und sein Vergeltungsdrang. Und seine Unreife. Entschuldige, seine Feigheit kommt auch noch dazu. Jetzt sag mir mal, wer soll bloß eine Sekunde lang an diese saudämliche Geschichte glauben – entschuldige, entschuldige, aber anders kann ich es nicht nennen –, diese Geschichte von Ungnade, Verlassenheit und Scheitern, wer soll denn glauben, daß das Schreiben einen Mann in einen solchen Dummkopf verwandeln kann und ihn innerlich abtötet, bloß weil er nur noch Drehbücher schreibt? Für wen hält er uns eigentlich? Glaubt er vielleicht, wir wären bereit, ihm alles abzunehmen wie Alexandra Storer, dieses verrückte Groupie? Auf jeden Fall tu mir den Gefallen, mein Junge, und entscheide dich nicht für einen künstlerischen Beruf, mach es nicht wie sie, setz dich nicht der Gefahr aus, alle Schmerzen und alle Qualen ausstehen zu müssen, die denen vorbehalten sind, die sich für unsterblich und von den Göttern gesegnet halten, denn in Wirklichkeit lastet ein Fluch auf ihnen.«
    Seit seiner sexuellen Entgleisung mit Marlène Aramentis war Evy griesgrämig geworden. Sein Ideal von einer reinen, unbefleckten Beziehung, das sehr erhebend oder zumindest so ganz anders war als alles, was er in seiner Umgebung sah, war getrübt worden, hatte von seinem mangelnden Willen und dem gewaltigen Gewicht der Ketten, die ihn gelähmt hatten, einen Riß bekommen, und folglich war er reichlich düster gestimmt. André hätte es sich daher ersparen können, Evys Trübsinn noch zu verstärken.
    »Was ist los, mein Junge? Schockiere ich dich? Findest du die beiden etwa völlig ausgeglichen? Verantwortungsbewußt?«
    Inzwischen glitzerten auf den breiten Fenstertüren rings um sie herum funkelnde Regentropfen, und unter ihren Füßen glänzte das Parkett wie eine fliegende Untertasse in der Mittagssonne. Sie sahen sich einen Augenblick stumm an, unfähig, die Entfernung einzuschätzen, die sie voneinander trennte.
    Dann tauchte Laure auf. Sie betrat den Raum, als gäbe es diesen nicht, als begegneten sie sich irgendwo auf einem völlig reizlosen Baumwollfeld.
    Sie kam, um ihnen zu sagen, daß sie nicht zum Abendessen dasein werde. Ihr Lächeln war ein wenig angespannt.
    Sie erwiderten mehr oder weniger, daß sie es überleben würden.
    »Ich konnte nicht nein sagen«, sagte sie und berührte Evy dabei leicht am Arm. »Das überstieg meine Kräfte, weißt du.«
    André unterdrückte eine schneidende Entgegnung. Es war bestimmt besser, wenn er den Mund hielt, aber seine Lippen hatten vor unbändiger Lust, etwas zu sagen, gezuckt. Es erfüllte ihn mit Ekel, was für ein schönes Beispiel Richard und sie ihrem Sohn gaben, und daher zog er es vor, sich auf

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