Die Frühreifen (German Edition)
auf den Hals küssen. Und dabei stieß sie ein leises Stöhnen aus. Sie schmiegte sich an ihn, preßte ihren Körper an seinen, gab ein leises Klagen von sich und bedeckte ihn mit züchtigen, sanften Küssen – auch wenn ihre Lippen etwas klebrig waren.
Als er feststellte, daß sie allmählich auf die schiefe Bahn geraten waren – er hatte nichts kommen sehen, keine Schranke war eindeutig überwunden worden, im Gegenteil, alles war auf ganz natürliche Weise ineinander übergegangen, genau wie sie ihm erst ganz vorsichtig einen Kuß auf die Lippen gehaucht hatte, ehe sie ihm die Zunge tief in den Mund steckte –, entdeckte er zugleich, daß er von einem Gift gelähmt wurde.
Beurteilen Sie die Sache selbst: Marlène saß rittlings auf seinem Bauch, drückte seine Schultern auf die Matratze und richtete sich entschlossen, mit von Speichel glänzendem Mund nach dem heißen Kuß, den sie ihm verabreicht hatte, langsam auf, und was tat er? Hm, was tat er, außer zu versuchen, ganz einfach wieder zu Atem zu kommen? Hat er vielleicht gebrüllt, sich gewehrt, um sich geschlagen oder auch nur den leisesten Versuch gemacht, an die Decke zu springen? Nein, er hoffte, daß man ihn wecken, ihn schütteln, ihn ohrfeigen, ihn mit Gewalt vom Bett reißen und die Treppe hinunterwerfen würde, aber nichts rührte sich, und seine Brust war wie in einen Schraubstock gespannt.
Sie flüsterte Worte, die er nicht verstand, legte sich der Länge nach auf ihn, und er war unfähig, sich zu rühren, vollkommen unfähig, sich diesem teuflischen Treiben zu widersetzen. Genauer gesagt, war er unfähig, seinem eigenen Willen zu gehorchen – und so schlang er die Arme um sie, obwohl er tief in seinem Innersten nur einen Wunsch hatte: auf die Türklinke zuzuspringen.
Sie streichelte ihn durch den Hosenstoff hindurch. Flüsterte ihm mein armer kleiner Schatz, o mein armer kleiner Schatz ins Ohr, während er mit aller Kraft die Zähne zusammenbiß. Er versuchte dieser Frau zu sagen hören Sie auf, ich flehe Sie an, hören Sie jetzt auf ! aber all diese schönen Worte blieben ihm in der Kehle stecken, und jetzt war ihm kalt, jetzt spürte er, wie sich die Eisdecke über ihm schloß, während sie triumphierend seinen Schwanz herausholte und ihn stolz in die Hand nahm.
In diesem Augenblick begann in seinem Inneren etwas zu bersten, wie eine Spalte, die über mehrere Kilometer aufreißt und das Packeis in das schwarze Wasser stürzen läßt. Er hätte fast – wie im Fieber – mit den Zähnen geklappert, als eine gute Hälfte seines Pimmels im Mund von Marlène Aramentis verschwand, die ihn plötzlich mit undefinierbarer Miene anstarrte und zu pumpen begann.
Er ließ den Kopf zur Seite sinken und blickte nach draußen, während sich diese furchtbaren Ereignisse abspielten, diese Ereignisse, die ihn unwürdig machten.
Er hatte Mühe zu atmen. Das war’s also, der Verlust der Ehre. Das war’s also, diese Frau zu vögeln, zu einem derart horrenden Preis, daß die Situation eine tragische Wendung nahm.
Es gelang ihm sogar, ihre Brüste zu streicheln, wobei sich sein Blick verschleierte, denn all das machte ihn ziemlich fertig. Diese ganze Geschichte war aus einem gewissen Blickwinkel sogar unendlich traurig.
Er saß in der Klemme, wurde von einem Räderwerk erfaßt. Er besorgte es ihr mit der Hand, und Marlène wand sich wie eine angepflockte Ziege, und zugleich drehte er den Kopf zur Seite, damit sie sein Gesicht nicht sah, denn sein Mund war zu einer Grimasse verzogen. Er verachtete sich abgrundtief.
Sie sagte, daß sie ihn ganz tief in sich spüre, daß sie glücklich sei, daß sie ihn die ganze Nacht dabehalten wolle, blabla-bla, und währenddessen vergoß dieser Dummkopf stumme Tränen.
Schlag auf Schlag gingen schwere Regenfälle in der Gegend nieder, schwemmten Brücken, Häuser und Autos fort, diesmal war der Herbst tatsächlich da, fegte auch das Laub fort, und ein feuchter kalter Wind wehte über den Hügel und durch die Verkehrsadern der Stadt, wo die Menschen die Terrassen der Cafés allmählich räumten und heiße Getränke schlürften.
Nach diesen Regenfällen wurde der Himmel wieder klar, wurde weiter und reiner.
Eines Morgens kündigte André Trendel mit käsebleichem Gesicht und verkniffenen Lippen an, daß er in den nächsten Tagen abreisen werde, er habe sich das reiflich überlegt und sei zu dem Schluß gekommen, daß es unter den gegebenen Umständen und im gegenwärtigen Klima wohl besser für alle sei, wenn er
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