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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Familie und stieg in ein Taxi, das sie in einem aschgrauen, unheilvollen Wirbel in die Stadt hinabfuhr.
    Die Neue war mollig und fröhlich. Richard fragte sich, wie seine Mutter wohl mit ihr zurechtkommen würde, wie die alte Schrulle es anstellen würde, ihr die Hölle heiß zu machen. Er blickte ihr nach.
    »Vor zwanzig Jahren hätte sie die Sache nicht so ernst genommen«, seufzte Richard.
    »Ich habe zu ihr gesagt entschuldige, aber nun mal langsam, um die Achtung vor sich selbst zu verlieren, da muß schon mehr geschehen. Zum Glück. Man muß schon mehr tun, als mit einem Produzenten zu schlafen, damit einem die Sache in der Seele weh tut. «
    »Hm, all das läßt mich nichts Gutes ahnen.«
    » Die Selbstachtung. Das hättest du mal hören sollen.«
    »Na ja, die Gefahr besteht wohl kaum. Wenn sie zwischen einem Scheintoten und mir zu wählen hätte, um ihre Seelennöte zu erzählen… Aber was soll’s. Ich habe nicht vor, ihre Tür einzuschlagen. Und ich habe auch nicht vor, mich heiser zu schreien oder die Sache auszuposaunen. Zum Glück hat sie ja dich. Sie hat ihren Agenten. Sie hat einen Typen, der zwanzig Prozent nimmt und der dafür bezahlt wird, sich ihr Gejammer anzuhören.«
    »Auf jeden Fall hat sie zwei Pfund abgenommen.«
    »Sie hat mehr als zwei Pfund abgenommen, glaub mir«, erwiderte Richard düster. »Sie ißt nichts. Sobald sie heimkehrt, schließt sie sich in ihrem Zimmer ein. Sie hat über zwei Pfund abgenommen und ringt die Hände oder beißt sich auf die Lippen. Ich weiß nicht, ob dich das an etwas erinnert, mich auf jeden Fall schon.«
    »Sag das bloß nicht.«
    »Tut mir leid. Aber ich hab geglaubt, du seist klug genug, um die Hand schützend über sie zu halten. Ich hab geglaubt, du seist ein ehrenwerter Mensch geworden, ein Typ, der ein gewisses Flair hat. Ich hab nicht gedacht, daß du sie voll ins Messer rennen lassen würdest.«
    Etwas geistesabwesend ließ Éric langsam den Blick über die Umgebung schweifen und verzog das Gesicht.
    »Wenn sie diese Rolle nicht bekommen hätte, wäre sie erledigt«, murmelte er wie zu sich selbst. »Das weißt du genausogut wie ich. Dann wäre sie erledigt.«
    »Niemand kann ihr ihre Tochter wiedergeben. Wovon redest du eigentlich?«
    Es war gegen Mittag. Man hörte das Brummen eines Staubsaugers – es handelte sich, genauer gesagt, um einen Tornado HP 7000 –, den Motor eines Rasenmähers in der Ferne, eine Motorsäge in den Wäldern und das Schnarren eines Spechts, der in den Laubbäumen trommelte.
    »Wenn das schon in den ersten Tagen so losgeht, auf jeden Fall, wenn sie nicht in einer Stunde im Studio ist, also wenn das so ist, dann fängt die Sache schlecht an. Dann ist es ein schlechtes Vorzeichen, das kann ich dir nur sagen. Dann hat sie nicht alle Trümpfe in der Hand. Dabei haben wir weiß Gott wie oft darüber gesprochen. Sie weiß genau, was auf dem Spiel steht.«
    »Es wird schon schiefgehen. Sie ist schließlich ein Profi. Wir haben es nicht mit irgendeinem Starlet aus der Provinz zu tun, Alter, also sei nicht so empfindlich. Laure ist ein echter Profi. Erinnre dich nur, wie sie mit vierzig Grad Fieber diesen beknackten Kostümfilm fürs Fernsehen gedreht hat oder mit einem gebrochenen Finger Papa ist auf Dienstreise. «
    Dann sah Richard Judith Beverini durch den Garten kommen und runzelte die Stirn.
    »Selbstverständlich schüttet sie dir nicht das Herz aus«, meinte sie und setzte sich, um eine Orangeade zu trinken. »Warum sollte sie auch? Du bist witzig. Glaubst du etwa, du könntest ihr irgendwie helfen?«
    »Ich habe gehört, daß Jean aus China zurück ist. Erzähl mal. Ist er nicht in Form?«
    »Sei nicht vulgär. Danke. Ich nehme an, du bist auf dem laufenden, daß Evy alles mit angehört hat.«
    Richard riß vor Überraschung den Mund auf. Dann sagte er: »Wie bitte?«
    »Der ist auch immer dort, wo er nicht sein soll«, brummte sie. »Na ja, auf jeden Fall war er da und hat alles mit angehört, während sie mir die Sache erzählte.«
    Richard wandte sich Eric zu und sagte kopfschüttelnd: »Die sind wohl total behämmert, also so was!«
    Dann sprach er Judith sein Kompliment aus für ihr knappes Ensemble aus rosa Frottee, das an die Atmosphäre einer Kreuzfahrt in der Karibik erinnerte.
    »Bravo, Mädels. Saubere Arbeit.«
    »Das kommt davon, wenn man an Türen lauscht.«
    »Ist das vielleicht sein Fehler? Willst du mir das damit sagen? Daß es sein Fehler ist, wenn ihr nicht fähig seid, euch euern Kram mit einem

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