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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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den Trendels war. Er telefonierte mit Laure und bemühte sich, sie zu beruhigen. Er sagte zu ihr hör zu, ich bin auf halbem Weg, ich bin gleich da… ich zeige gerade dem Wärter meinen Ausweis, ich bin gleich da… nun komm, mach dich nicht lächerlich, faß dich wieder, hallo?… nur keine Panik, ich bin gleich da .
    Richard war im Garten. Auch er hatte sein Handy am Ohr, ging gebeugt auf und ab, während er sich verärgert mit seinem Vater unterhielt.
    »Nun erzähl doch keinen Scheiß, ihr könnt kommen, wann ihr wollt, ihr seid hier zu Hause. Muß ich dir das noch zehnmal sagen? Herrgott noch mal, Papa, alle freuen sich darüber. Wir sind hoch erfreut, euch zu sehen. Herrgott noch mal, wie soll ich es dir bloß noch sagen? Kommt, wann ihr wollt, Mama und du. Natürlich erwarten wir euch. Ja, wie jedes Jahr um diese Zeit. Ihr könnt bleiben, solange ihr wollt. Drei Monate? Nein, das war nur ein Scherz. Nein, wir haben nichts nötig. Nein, wirklich nichts. Mein Gott, hörst du mir eigentlich zu?«
    Als er Éric sah, regelte Richard schnell das Problem mit dem Besuch seiner Eltern, er wischte sich mit einer Hand den Schweiß von der Stirn, während er mit der anderen sein Handy krampfhaft festhielt und es wutentbrannt ansah wie ein Ei, das er am liebsten zerschmettert hätte.
    Er versperrte Éric Duncalah den Weg, dessen seidener Pullunder seinen muskulösen Oberkörper und seine schlanke Figur gut zur Geltung brachte – wenigstens rasierte er sich die Achselhöhlen.
    »Und jetzt sagst du mir, was da oben vor sich geht«, befahl er ihm. »Ich will wissen, was mit ihr los ist. Ich rate dir, den Mund aufzumachen.«
    Was Richard mit da oben meinte, während er grimmig mit dem Daumen hinter sich zeigte, war Laures Zimmer im ersten Stock, ihre Fenster mit den zugezogenen Vorhängen.
    Éric schob seine Sonnenbrille hoch und klemmte sie sich auf die Stirn. Dann stemmte er die Fäuste in die Hüften und verzog das Gesicht, während er den Rasen betrachtete, der zwischen seinen Füßen wuchs.
    »Puh, du weißt doch, wie das ist«, sagte er schließlich. »Sie ist derart empfindlich.«
    Richard blickte ihn kopfschüttelnd an und erwiderte: »So so, das ist alles, was dir dabei einfällt. Empfindlich. Du hast es wirklich raus, das passende Wort zu finden, weißt du das?«
    Sie zogen sich in den Schatten einer Baumgruppe zurück, die einen starken Geruch nach Honig und kandierten Apfelsinenschalen verströmte. Dort befanden sich große Rohrsessel, Kissen, die Tageszeitung, ein Band mit Gedichten aus dem neunzehnten Jahrhundert, den Richard per Post bekommen hatte, ein Leserbrief, der mit den Worten Monsieur, ich habe Ihr letztes Buch wirklich nicht ausstehen können begann, englische Zigaretten ohne Filter, ein Glas rosa Pampelmusensaft mit Gin und ein Rest Rührei.
    »Ich weiß, was du denkst, Éric. Setz dich eine Minute hin. Ich weiß genau, was du denkst. Trink etwas. Aber schließlich ist Laure noch immer meine Frau, wie du weißt. Wir sind noch immer verheiratet, falls du das vergessen haben solltest. Und ich bin es nicht gewohnt, mich in eure Angelegenheiten einzumischen, das wirst du zugeben. Das ist nicht meine Art. Ich versuche nicht bei jeder Gelegenheit, dir die Würmer aus der Nase zu ziehen. Stimmt’s oder nicht? Éric, stimmt’s oder nicht?«
    Éric trug sehr spitz zulaufende Stiefeletten, die er genüßlich betrachtete.
    »Aber diesmal scheint mir die Sache ziemlich ernst zu sein«, fuhr Richard fort. »Weißt du, bei dieser Frau weiß ich ganz genau, ob es was Ernstes ist oder nicht. Schließlich kenne ich sie schon länger als du.«
    Éric strich sich mit der Hand durch seine blond gefärbten Strähnen, die zwischen seinen Fingern tanzten wie radioaktive Weizenähren. Dann verzog er das Gesicht und blickte in den Himmel.
    »Hör zu, du weißt ja, wie das ist«, sagte er in betrübtem Ton. »Aber ich habe den Eindruck, als käme sie aus einem Kühlraum. Als hätte sie die ganze Zeit im Winterschlaf verbracht.«
    »Okay. Aber drück dich etwas deutlicher aus. Wovon redest du eigentlich?«
    »Wovon ich rede? Was glaubst du wohl? Muß ich dir das erst lang und breit erklären?«
    Als Homosexueller mit hyperaktivem Sexualleben begriff Éric nicht, daß man einem Geschlechtsakt, der ein rein berufliches Ziel verfolgte, weit verbreitet und in diesem Milieu allgemein anerkannt war, solches Gewicht beimessen konnte.
    Richard blieb stumm. Er hörte dem Bericht über die Abenteuer seiner Frau mit Axel Mender von

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