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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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der MediaMax zu, wobei er auf allen möglichen Gräsern kaute, die er links und rechts ausriß. Es war nicht das erste Mal, daß Laure mit einem anderen Mann schlief. Sie hatte sich an Richard für den Abgrund, in den er sie gestürzt hatte, gerächt, hatte sich keinen Zwang angetan und ihn dafür bestraft, daß er nicht mehr imstande war, sie zu vögeln, und seine Spritzen im ganzen Haus herumliegen ließ wie ein Schwachsinniger. Sie hatte ihn nicht gerade mit Samthandschuhen angefaßt. Eine Zeitlang hatte sie darauf gewartet, daß er etwas sagte, protestierte, aber er hatte dem nichts hinzugefügt, hatte nichts gesagt. Er wußte, daß er für seinen Fehltritt einen hohen Preis zu zahlen hatte. Das war ihm völlig klar.
    Dennoch war es natürlich nicht sonderlich angenehm, so etwas zu erfahren. Man mußte tief Atem holen. Mußte gegen die Lust ankämpfen, über das Sofa zu springen, um sie zu erwürgen oder ihr links und rechts eine runterzuhauen – vor allem wenn man nicht mehr recht wußte, wer von beiden das größere Scheusal war, er oder sie. Richard blickte finster zu dem Zimmer hinauf, in das sich die Schuldige zurückgezogen hatte, um schwarze Gedanken zu wälzen, und stellte sich vor, wie sie in höchster Erregung nackt über den Teppichboden des Produzenten gekrochen war, der sie aus nächster Nähe bespritzte.
    »Na gut«, seufzte er und senkte den Kopf. »Aber wenn das so ist, was hat sie dann zu meckern?«
    »Sie macht sich wohl Vorwürfe, daß sie diese Rolle nicht nur aufgrund ihres Talents bekommen hat. Weißt du, irgend so etwas Absurdes.«
    Richard drückte den ganzen Verdruß, den ihm solche Geschichten einflößten, mit einem vielsagenden Gesichtsausdruck aus: »Also hör zu, wenn sie die Sache so nimmt, dann knallt’s aber, das sage ich dir. Wenn sie in diese Kerbe haut, Éric, dann müssen wir uns auf das Schlimmste gefaßt machen. Dann kriegt sie noch etwas über ihre Scheißkarriere zu hören, das kannst du mir glauben.«
    »Na gut, aber so kannst du nicht über etwas sprechen, was ihr ganzes Leben ausmacht. Stell dir das nur mal vor. So gemein kannst du doch nicht sein. Hättest du so was auch zu Greta Garbo gesagt?«
    »Dieses Milieu ist wirklich beschissen. Das weiß ich, ich gehöre selbst dazu. Aber am schlimmsten sind diese ganzen Schmarotzer, die Typen, die wie Zecken daran kleben, die ganze Scheißbande, die sich um die Organisation kümmert. Okay. Da sind wir uns völlig einig.«
    »Richard, please, sei doch nicht so verbittert. Ihr beiden seid doch gut dran. Sieh dich doch nur mal um. Ihr beiden seid echt gut dran.«
    Richard sprang mit einem Satz auf. Höhnisch breitete er die Arme aus und sagte: »Aber sicher. Verdammt gut. Man braucht sich das hier nur anzusehen«, knurrte er und zeigte dabei auf die Bäume, die ihn umgaben, von dem kleinen Tulpenbaum bis zur großen blauen Zeder. »Wir sind gut dran, echt gut dran, wie es scheint. He, Leute, seht euch mal dieses Ergebnis an. Hm, Leute, was sagt ihr dazu?«
    In diesem Augenblick entdeckte er Laure, die ganz kurz hinter der Gardine zu sehen war, und das verschlug ihm den Atem.
    »Wie kommst du dazu, so einen Stuß zu sagen?« meinte er und setzte sich wieder.
    »Wäre es besser, wenn ihr in einer Sackgasse wohnen und nur eine Handvoll Euro im Monat verdienen würdet?«
    »Wie kannst du bloß so einen Mist erzählen, ganz ehrlich! Wirst du vielleicht bezahlt dafür?«
    Die Köchin brachte ihnen einen dampfend heißen Kaffee. Diese Italienerin kochte so guten Kaffee, daß man manchmal sah, wie Georges Croze auf der anderen Seite der Hecke in hundert Meter Entfernung inmitten der Lebensbäume mit den Armen fuchtelte und rief: »Der Henker soll mich holen, Richard, wenn es nicht stimmt, daß ich in Florenz denselben Kaffee getrunken habe, diesen wundervollen Arabica, den man bei Gilli bekommt. Habt ihr noch ein bißchen davon?«
    Ihre frühere Köchin, die nicht berühmt war, aber zwanzig Jahre lang bei ihnen gearbeitet hatte, war unfähig gewesen, einen anständigen Kaffee zu kochen. Sie hatte gut fürs Haus gesorgt, aber ihr Kaffee war oft abscheulich gewesen. Bei Lisas Tod war ihre Schürze von morgens bis abends mit Tränen getränkt, und einen knappen Monat später ließ der Kummer sie verdorren wie eine Feige, und sie bat um ihre Kündigung. Sie ließ sich nicht von Richard überreden, der ihr einen höheren Lohn versprach, ging zu Evy, um ihm einen Kuß auf die Stirn zu drücken, schneuzte sich vor dem spärlichen Rest der

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