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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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sie stumm und aschfahl eintraf –, dabei handelte es sich nur um reine Liebe.
    Gaby Gurlitch, dieses Miststück, hatte ohne Zweifel mit Lisa gevögelt, yes, das ließ sich nicht leugnen, aber was hatte ihr das letztlich gebracht? Was hatte sie heute davon?
    Anaïs klapperte mit den Zähnen. Sie rollte sich auf dem Sand zusammen, denn keine Sonne konnte sie erwärmen. Es tat weh, sich vorzustellen, wie sie sich betatscht, unter Mädchen abgeknutscht und zwischen den Schenkeln befummelt hatten. Gaby war die bittere Pille, die sie schlucken mußte, Gaby war für diese ganze Scheiße verantwortlich, und wenn es etwas gab, was Anaïs nur schwer, wirklich verdammt schwer verdauen konnte, dann war es die Tatsache, daß Gaby jetzt um den Bruder herumstrich.
    Hatte Gaby etwa die Absicht, den Bruder zu vernaschen? Also das, das war wirklich der Gipfel! Davon wurde einem ganz übel. Sich Evy zu schnappen? Verdammte Scheiße! Sich Evy zu schnappen war geradezu grotesk. Das war sogar ganz das Gegenteil davon, die Toten in Frieden ruhen zu lassen, wenn man hören wollte, wie sie die Sache sah.
    Auf dem Rückweg machte sie bei Dany Clarence halt. Sie ließ den Subaru etwas abseits im Schutz der hohen Bambussträucher stehen, die sich in der warmen Luft hin und her bewegten.
    Dany bastelte gerade an irgend etwas hinter seinem Haus herum, an einer Wasserpumpe, die wohl im Osten hergestellt worden war.
    Er hatte Gras, Ecstasy und ein bißchen LSD , das war zwar ziemlich dürftig, aber Anaïs hatte keine Lust, lange zu diskutieren, und begnügte sich mit einem Kopfnicken. Er wog also das Gras, zählte die Pillen und die Löschpapierstreifen ab.
    »Und morgen? Manipuliert er dann vielleicht die Bremsen meines Subarus?« empörte sich Anaïs. »Oder schickt er mir ein Sprengstoffpaket?«
    Dany erwiderte, das sei nicht unmöglich. Er kannte die Trendels. Zu der Zeit, als sich Richard von morgens bis abends zudröhnte, war Dany ab und zu bei ihnen vorbeigegangen, um zu sehen, ob sie nichts brauchten, und manchmal hatte er die beiden Kinder abgeholt und war mit ihnen spazierengegangen.
    Dany war sich sicher, daß Evy zu allem möglichen fähig sei, weigerte sich aber, ihr seine Meinung über Lisas Tod zu verraten – was Anaïs geradezu verrückt machte.
    Er zog es vor, sich nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen. Er beschränkte sich darauf, ihnen das zu liefern, was sie bei ihm bestellten, das war alles.
    »Was willst du denn bloß mit diesen Fotos anfangen? Hinter wem bist du eigentlich her?« Es gelang ihm nicht immer, sich zu beherrschen, manchmal kam er einfach nicht dagegen an. Er wollte sich nicht einmischen, auf keinen Fall, und dann steckte er doch gegen seinen Willen die Nase hinein und riß den Mund auf wie eine elende alte Klatschbase, anstatt die Klappe zu halten. Ein unwiderstehlicher Drang.
    Sie gehe allen auf den Sack mit diesen Fotos, erklärte er ihr.
    Er zählte die Banknoten, die sie ihm gereicht hatte, nachdem sie sie aus ihren entsetzlichen Fransenshorts gezogen hatte, die so eng saßen wie eine Wurstpelle, aber er war mit den Gedanken woanders. Er merkte genau, daß Anaïs nicht die Absicht hatte, mit diesem ganzen Scheiß aufzuhören, und fragte sich, ob man dagegen überhaupt etwas tun könne.
    »Du lebst ein bißchen zu weit ab von allem«, erwiderte sie. »Dein Hirn verkümmert allmählich, weißt du das?«
    »Ja, aber das kommt nicht von der Einsamkeit. Das kommt vom Alter, nicht von der Einsamkeit.«
    Sie gingen nach draußen. Er begleitete sie bis zu ihrem Subaru. Sie versteckte das Zeug unter dem Sitz. Sie sagte zu ihm: »Und vergiß nicht, ich will diese Fotos haben.«
    Er knirschte mit den Zähnen und schlug mit der Faust auf das Dach des Autos. Bumm . Er ließ einen finsteren Blick über die Umgebung schweifen. Ein paar Sekunden lang machte er einen drohenden, furchterregenden Eindruck. Im Unterholz wechselten sich Schatten und hohe Säulen aus zitterndem Licht ab.
    »Ich würde das ja auch selbst tun«, seufzte sie, »aber ich hab keinen Bock darauf. Außerdem besteht die Gefahr, daß ich ihm direkt in die Arme laufe. Und wie stehe ich dann da?«
    Er grinste. Anaïs’ halsstarrige, kompromißlose Entschlossenheit hatte ihn immer beeindruckt, selbst wenn diese gegen ihn gerichtet war. Er grinste, denn er hatte tiefen Respekt vor dieser Haltung und vor der Art, wie sie ihm unverwandt ins Gesicht schaute.
    Als sie den Hügel hinabfuhr, begegnete sie dem Cabriolet von Éric Duncalah, der auf dem Weg zu

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