Die Frühstücksfreundin
Jennifer von dem, was sich darauf abspielte, und Robert entging, infolge väterlichen Gutenachtkusses, die entscheidende Vergewaltigung.
»Wie ist es denn ausgegangen?« Franziska hatte noch ein Machtwort sprechen müssen bei den Kindern.
»Ich weiß auch nicht. Aber nach heutiger Klischeelage hat sicher ein allwissender Kriminalkommissar die bösen Ganoven ihrer gerechten Strafe zugeführt.«
»Du hast viel Phantasie heute.«
»Ich bin auch hart trainiert worden.«
Robert stellte den Fernseher leiser, holte den Obstler aus dem Bauernschrank, füllte zwei Gläser und erzählte von seinen Erlebnissen in der Mittagspause. »Komisch, daß sie mir davon nichts gesagt hat?« wunderte sich Franziska. »Ich war den ganzen Nachmittag bei Karin.«
»Hat sie keine Andeutung gemacht?«
»Mit keinem Wort.«
»Dann gibt es nur eine Erklärung: Sie glaubt, ich hätte Heimlichkeiten vor dir und will sich nicht einmischen.« Auf dem Bildschirm wich ein Politiker einer Frage aus. »Du hättest dich auch besser rausgehalten«, sagte Franziska. Er machte eine halbherzige Handbewegung, die ausdrückte, daß man daran auch nicht als erstes denkt, wenn man um einen Gefallen gebeten wird, nach so langjähriger Freundschaft. Die Folgen faßte er wesentlich konkreter:
»Mir ist es nur vor Karin peinlich, wenn sie dahinterkommt.«
»Ich kann ja gelegentlich auf den Schuhmacher zu sprechen kommen«, meinte Franziska.
»Und der Schuh ist weg«, es klang kläglich. »War so ein schönes Paar.«
Franziska tröstete ihn mit dem Fundbüro der Stadtbahn, wo man nachfragen könne. Doch er bezweifelte, ob heutzutage sich noch jemand die Mühe mache, einen Gegenstand abzugeben, auch wenn er für ihn selber wertlos sei. Dabei geriet er über den Verlust in Zorn, schwor sich, Karl Bescheid zu sagen, und auch Karin beim nächsten Zusammentreffen reinen Wein einzuschenken. Sollte Karl doch selber sehen, wie er da wieder rauskäme.
Auf dem Bildschirm unterstrichen demonstrierende Frauen seine Stimmung. Nur Franziska blieb ruhig, sah ihn an, lange und mit einem merkwürdigen Ausdruck, wie er fand. Bis sie sagte:
»Und wenn es gar nicht seine Freundin war, sondern deine?«
Fassungslos sah er sie an.
»Liebes, du glaubst doch nicht im Ernst...«
Sie lächelte.
»Nur mal angenommen. Wie würdest du dich an seiner Stelle verhalten?«
»Ich würde es dir sagen«, sagte Robert.
»Und wenn du wüßtest, daß es mir weh tut?«
»Wahrheit kann weh tun, Liebes.«
»Sie kann auch zerstören.«
Robert wich ihrem Blick aus.
»Findest du, es wäre besser, sie nicht zu sagen?«
Sie nickte, und sofort wollte er Genaueres hören.
»Du würdest mir die Wahrheit also nicht sagen?«
»Wenn es nur ein kleiner Seitensprung wäre, ich glaube nicht.«
»Bitte, was ist ein kleiner Seitensprung?«
»Ein Leichtsinn aus einer leichtsinnigen Situation heraus, zum Beispiel.«
»Und die Entfremdung, die dadurch entsteht?« fragte er.
»Solange du nichts weißt, entsteht ja keine.«
»Und wenn ich dahinterkomme?«
»Dann ist immer noch Zeit für die Wahrheit.«
Ihre Logik ärgerte ihn. Alles ärgerte ihn.
»Lassen wir das Thema. Sonst kriegen wir noch Krach wegen dem Kerl. Wir haben, was wir brauchen, und können glücklich und zufrieden sein.«
»Das sag’ ich ja immer«, sagte sie, und auch das ärgerte ihn.
Gewerkschaftler füllten den Bildschirm. Sie schauten fünfzehnprozentig drein. Robert lehnte mit ähnlichem Ausdruck am Eßtisch.
»Ich darf gar nicht dran denken, sonst kommt mir die Galle hoch. Alles hat er, alles gelingt ihm, was er anfängt, alles nimmt er sich heraus. Und du wirst sehen, auch diesmal geht es wieder gut für ihn aus. Auf meine ' Kosten.«
»Ich versteh’ dich«, sagte Franziska, und ihr verständnisvoller Ton ärgerte ihn. »Aber so schlimm ist es auch wieder nicht. Die Freundschaft wird nicht gleich dabei draufgehen.«
Robert lief durchs Zimmer, ohne zuzuhören.
»Er macht die Dummheiten, und ich bin der Dumme.« Robert sah aus, als müsse er platzen. Er versuchte sich zu beschwichtigen, indem er sich einredete, er dürfe sich nicht in die Sache verbeißen, wozu er neige. Auch im Beruf. Denn im Grunde — auch das redete er sich ein — sei er kein Verbissener, sondern seiner Veranlagung nach eher souverän gedacht.
Mit dieser Eröffnung überraschte er selbst Franziska. Auf dem Bildschirm hob der Präsident des Trachtenvereins sein Glas. Beide folgten seinem Beispiel.
»Du bist also souverän gedacht.«
Ihr Ton
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