Die Frühstücksfreundin
sich auch mal was trauen, nicht nur geigen«, schimpfte Karl. »Davon wird er kein Mann.«
»Er muß ja nicht unbedingt so werden wie du«, gab Karin zur Antwort und schwamm weiter. Das fand Robert auch und zog als heimlicher Herzkönig seine Bahn. Er konnte zufrieden sein. Am Beckenrand saß Franziska und sah den Kindern zu. Sidonie hatte recht. Er würde sich nie von ihr trennen. Von keiner. Aber von Franziska auf gar keinen Fall.
Es gab noch Tränen, weil Karl seinem Sohn nach dem gescheiterten Kopfsprung das Tauchen beibringen wollte. Da sagte Franziska leichthin, aber aus tiefster Seele:
»So dumm kann nur ein Mann sein.«
Und sie sagte es am Abend noch einmal, als sie mit Robert auf dem Sofa im Wohnzimmer saß und strickte. Doch sie dachte dabei an Karl, und Robert dachte an Sidonie. Auch sie würde jetzt zu Hause sitzen, mit ihrem kultivierten Mann, der so viel weiß.
Robert war zufrieden. Er lebte intensiver als zuvor, die klare Abmachung gab ihm Ruhe. Unabgelenkt konnte er sich über das Wochenende seiner Familie widmen, ohne innerlich wegzudrängen und bei jedem Klingeln des Telefons zusammenzucken zu müssen. Vitaler Leichtsinn strahlte als Ruhe von ihm aus. Er ging zum Bauernschrank und gönnte sich einen großen Klaren. Einen sehr großen.
»Ich habe Halsweh. Ich hätte mich nach dem Schwimmen nicht in die Wohnhalle setzen sollen«, warf er sich vor. »Dieser Riesenraum mit der permanenten Zugluft aus der Klimaanlage.«
Franziska strickte weiter. Für ihn. Umstrickte ihn mit Nadeln, mit zärtlichen Händen später, bis er, von zwei weiteren Klaren benebelt, mit seligem Seufzer einschlief:
»Liebes!«
Am Sonntagabend war die beginnende Erkältung nicht mehr zu übersehen. Sie hatten den Tag ganz den Kindern gewidmet. Das bedeutete, sich an Plätze zu begeben, die sie normalerweise an Feiertagen meiden würden, wie den Zoologischen Garten. Zusammen mit K&K samt Wundergeiger stauten sie sich im Gedränge vor den Gittern der Gehege und begafften die bedauernswerten Tiere dahinter, die Platz hatten, aber keinen Auslauf. Plötzlich rief jemand laut und deutlich:
»Sidonie!«
Robert blieb vor Schreck stehen, als habe ihn ein Muskelkrampf befallen.
Sidonie hier? Nein, das konnte nicht sein.
Andere Stimmen fielen ein: Sidonie, Sidonie. Die Rufe kamen vom Gehege der Elefanten her. Robert lenkte die Gruppe dorthin. Da stand Sidonie, mit pendelndem Rüssel — eine alte Elefantenkuh ohne Zähne.
»Ein besonders schöner Name«, sagte Franziska. »Sollten wir noch eine Tochter bekommen, würde ich sie gerne so nennen.«
Sehr entschieden erwiderte Robert den Druck ihrer Hand.
»Es bleibt bei zwei, Liebes.«
Falls Schreckschüsse dieser Art sich häuften, stand ihm eine unruhige Zeit bevor.
Abends war die Nase zu. Am liebsten hätte Robert eine Brachialtablette genommen, die den Schnupfen wegdrückt. Im Apothekenschränkchen fand sich jedoch nichts derartiges. Franziska schwor auf homöopathische Hilfe, und so bekam er Lindes, aber Umständliches: dreißig Tropfen, jede Stunde.
Still war es in der Wohnung. Die Kinder schliefen sich von den Strapazen des Verwöhntwerdens aus, die Eltern saßen auf dem Sofa.
»Wie viele Raten haben wir eigentlich noch, Liebes?«
»Für die Wohnung? Eine oder zwei.«
»Dann könnten wir dir einen neuen Mantel kaufen.«
»Lieb von dir, Robert. Aber ich brauche wirklich keinen.«
Franziska hatte die Beine hochgelegt und strickte wieder. Für ihn. Umstrickte ihn mit Nadeln, mit zärtlichen Händen später im Bett. Nach nicht vorgesehenem stürmischen Schweigen lag sie an seiner Schulter. Robert nahm noch einmal dreißig Tropfen und stellte den Wecker.
»Es muß am Mai liegen, am Wonnemonat.«
»Das glaub’ ich auch.« Franziska lächelte ihn an. »Seit vorgestern haben wir Juni.«
»In dem Fall ist mir jeder Monat recht. Gute Nacht.«
5 . Keine Spuren
Sie waren nicht umsonst, die Jahre mit dem Chefarzt in der großen Welt. Sidonies Forderung nach Disziplin in der Öffentlichkeit gehen dem, der die Geduld hat, auf wie eine Patience. Mit den Herren am Tisch haben sie gefrühstückt, im verrauchten Café, und sind dann zum Spaziergang aufgebrochen. Ganz offiziell.
Vor knapp einer Woche konnte Tiedemann ihr bei nämlicher Gelegenheit von seiner Frau erzählen, der seine Phantasie ein Verhältnis anhängt. Auch zwei weitere Herren haben Sidonie schon mit ihrem Wesen vertraut gemacht.
Heute ist Robert an der Reihe. Die Tischrunde nickt ihm zu; Tiedemann wünscht
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