Die Frühstücksfreundin
als eine Männerstimme eine Summe nannte, die für eine Nachnahme zu entrichten sei, konnte Robert wieder atmen. Da kam Franziska ins Schlafzimmer, zeigte ihm einen Wisch.
»Geht das in Ordnung?«
»Ja«, sagte er, »haben wir doch längst besprochen.«
»Nur der Ordnung halber«, antwortete sie und stöberte in dem Kristallaschenbecher, den er als Ablage für den Inhalt seiner Hosentaschen benutzte.
»Wieso hast du so wenig Geld?«
»Hab ich wenig Geld?«
»Am Sonntag hattest du noch viel.«
»Ich weiß auch nicht.«
»Hast du den Kundendienst bar bezahlt?«
»Nein. Sie schicken die Rechnung wie immer.«
In ihrer Handtasche fand sich, was sie brauchte, der Postbeamte ging wieder, das Thema blieb.
»Dann mußt du gestern zum Frühstück Kaviar gegessen haben.«
Von Frühstück zu Frühstücksfreundin war es nur ein Gedankensprung. Den galt es zu vermeiden. »Vielleicht hab ich bei dem Zusammenstoß etwas verloren?«
»Dabei reißt es einem doch nicht das Geld aus der Tasche«, widersprach Franziska. Er stellte sich schwach und krank:
»In meiner Schreibtischschublade liegt es, im Büro.« Damit gab sie sich zufrieden.
Sidonie!
Längst würde sie in ihrem Büro sitzen, das er nicht kannte.
Sidonie!
Warum lächelte ihn Franziska so merkwürdig an? Gleich würde sie etwas sagen.
»Weißt du, wie du jetzt schaust?«
Matt schüttelte er den Kopf.
»Wie Sidonie.«
Ähnlich muß Herztod im Bett sein. Man liegt, und plötzlich bleibt es stehen.
»Ja. Wie die Elefantenkuh im Zoo.«
»Soll das ein Kompliment sein?« hörte er sich fragen, überhörte jedoch ihre Antwort. In Franziskas Gegenwart an Sidonie zu denken — das schien ihm nicht ganz ungefährlich. Immerhin, die Benommenheit war weg. Der nächste Telefonanruf traf ihn sozusagen ohne Narkose.
Sidonie ruft ja nicht an, beruhigte er sich, obwohl er wußte, daß sie nicht anrufen würde. Es war Karin. Bald darauf kam sie, winkte herein und nahm Franziska zum Einkaufen mit.
»Ich stell’ dir das Telefon hin, falls etwas ist.«
»Danke Liebes. Wann kommst du wieder?«
»Zwei Stunden wird’s schon dauern. Wir wollen in den Großmarkt. Oder soll ich hierbleiben?«
»Nein, nein. War nur eine Frage, eine ganz dumme Frage.«
»Vergiß die Tropfen nicht.«
Nach pantomimischen Küßchen beider empfand er das Zuschnappen der Wohnungstür als Erleichterung. Leider hielt dieses Gefühl nicht vor. Die Stille, das Fehlen von Franziskas ablenkender Gegenwart und die Möglichkeit freien Handelns erfüllten ihn mit Unruhe. Wählbereit stand Sidonies Telefonnummer in seinem Kopf, wählbereit der Apparat in Reichweite. Nach der fünften Ziffer meldete sich eine weibliche Stimme: »Kein Anschluß unter dieser Nummer.«
Hab ich falsch gewählt? Oder soll es nicht sein?
Aber jetzt sind die Ameisen los. Sein ganzes Inneres kribbelt. Schon ist er raus aus dem Bett, rasiert sich, greift Kleidung, ohne sich farblich abzustimmen, einen Shawl, den Mantel, schaufelt das knappe Geld aus dem Kristallaschenbecher, steht schon im Lift, huscht aus dem Haus, über die Straße, um die Ecke, in die Apotheke.
Morgen muß er ins Büro, morgen sind sie verabredet.
Zum Glück zahlt sie morgen, sonst müßte er noch auf die Bank. Das Härteste gegen Erkältung, das er verlangt, ist leider rezeptpflichtig. Doch weil die Apothekerin jung ist und er verspricht, das Rezept nachzuliefern, gibt sie ihm schließlich, mit kleinem Appell an die Vernunft, die harte Sache.
Wichtig ist jetzt, sich wegzudrehen, bis die Frau aus dem Haus auf der anderen Straßenseite vorbei ist, ungesehen wieder hineinzukommen, die Kleider dahin zurückzulegen, wo er sie hergenommen hat, das Mittel einzunehmen, die Packung zu verstecken, in seiner Aktentasche, und zurück ins Bett, wo in Reichweite der Apparat lockt, es noch einmal zu probieren. Diesmal verwählt er sich nicht. Eine Männerstimme tönt höflich. Leider sei sie gerade in einer Sitzung — Geschäftsbesuch aus dem Ausland — , ob er denn aus dem Hause spreche oder von draußen.
Selbstverständlich aus dem Hause, sagt Robert. Er wird sich später wieder melden.
Wenigstens weiß ich jetzt, was sie macht.
Sidonie.
Halt. Das Geld. Das Geld muß zurück in den Kristallaschenbecher. Wenn Franziska noch einmal nachschaut, sieht sie vielleicht, daß ein Schein fehlt. Das Zeug ist ja so teuer. Sie darf eben nichts sehen. Eine Akte aus der Mappe drauf — an was man alles denken muß, mit dem benommenen Kopf.
Wenn Franziska sieht, daß er
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