Die Frühstücksfreundin
was meine Frau vorhin gesagt hat: Ich würde einen Unterschied machen, zwischen Wahrheit sagen und Wahrheit leben.«
»Nicht schlecht. Sie meinen, man muß das tun, wonach einem ist?«
Robert nickte ihr zu.
»Die wenigsten Menschen haben das Glück, alles, was sie zu ihrer Selbstverwirklichung brauchen, bei ein und demselben Partner zu finden.«
»Mensch, Robert!« Karl schwenkte den Cognac. »Wo hast du denn das her?
»Von seiner Frühstücksfreundin.«
Franziska sagte es nahezu beleidigend argwohnfrei. In ihrem gelben Kleid. Doch Christines Lächeln brachte ihm Trost.
»Respekt«, sagte sie, »das ist der Schlüsselsatz zu meinem ehefreien Abend: Jeder holt sich das, was ihm der Partner nicht geben kann, anderswo. Es muß ja nicht immer nur das Eine sein. Dadurch werden beide ausgeglichener, und das bekommt der ganzen Familie.« Karin rührte in ihrem Kaffee und faßte zusammen, was sie verstanden hatte:
»Mit anderen Worten: Geh fremd und mach mich glücklich.«
»Prost!« sagte Karl, und Christine lächelte.
Sie haben bezahlt und sind eingezogen. Robert hat sie festgehalten, wie am ersten Tag, minutenlang, mitten im Zimmer. Es war Befreiung und höchste Zeit, aus dem Hotel Elite herauszukommen. Franziska hatte eine neue Putzfrau, und die war, wie sich geschwätzigerweise herausstellte, mit einem der Portiers des Etablissements verwandt. Als Robert die Neuigkeit berichtete, sagte Sidonie:
»Wer nie heimlich liiert war, weiß nicht, wie das Schicksal übertreibt!«
Die Verbindung hat sich zur Partnerschaft gemausert. In eigenen vier Wänden begegnet man sich anders, auch wenn sie nur gemietet sind. Alltag spielt herein, man trifft einander nicht, um etwas zu erleben, man lebt miteinander. Sidonie hat Wäsche mitgebracht und einen gepunkteten Morgenmantel mit aufgesticktem »S«. Robert füllt den Kühlschrank und macht Frühstück. Sie kommen auch weiterhin ins Café, Sidonie setzt ihre Spaziergänge mit wechselnder Begleitung fort, nur seltener. Beide klagen zunehmend über den Rauch vom Tisch der Skatspieler, der ihnen die nette Runde verleide. Robert begründet sein sporadisches Nichterscheinen mit Verschlafen, auch fahre er gelegentlich mit der Stadtbahn.
Einmal hat er’s tatsächlich probiert, Franziskas wegen, die ihm den Vorschlag machte. Dann erst konnte er sich weigern: Beweglich bleiben, Enge und schlechte Luft meiden, solange sich das finanziell machen läßt! Ohne Versuch und Begründung hätte sie vielleicht Verdacht geschöpft. Im Verwischen ihrer Spuren sind Robert und Sidonie ein schlaues Team.
»Sich nicht verändern!« hat sie gesagt. »Unvermeidliche Umstellungen gleitend vornehmen. Hier machen die meisten Fehler.«
»Disziplin ist offenbar die halbe Wollust«, hat er gescherzt. Wenn sie im Bett frühstücken oder in der Badewanne liegen, fühlen sie sich wie auf Hochzeitsreise. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß die Ehepartner gesprächsweise häufiger auftauchen; der familiäre Charakter heischt Einmaligkeit, ohne legale Konkurrenz. Das führt zu Neugier auf die, mit denen man teilen muß. Trotz Abmachung, sie aus dem Spiel zu lassen. Um gar nicht zu wissen, mit wem man es zu tun hat, ist das Spiel zu gefährlich.
»Weiß Ihre Frau eigentlich, daß es mich gibt?«
»Ja. Karl wollte einmal wissen, ob wir auch Damen hätten bei den Frühparkern. Da hab ich erzählt.«
»Weiß sie, wie ich heiße?«
Sein Zwerchfell macht einen Ruck:
»Sie haben einen Namen bei uns. Er stammt von Karl: Frühstücksfreundin!«
»Frühstücksfreundin?« wiederholt sie. »Dann haben Sie aber sehr ausführlich von mir erzählt.«
»Das war ganz am Anfang, als wir uns kaum kannten. — Und Ihr Mann? Weiß er etwas?«
»Robert? Nein. Er ist zu sehr mit sich beschäftigt. Aber vielleicht vermutet er...«
»Hat er dazu schon öfter Grund gehabt?«
»Er kennt mich, kennt meine Vergangenheit.« Merkwürdig, die Verflossenen schmerzen, der Parallelmann stört überhaupt nicht. Sozusagen von Robert zu Robert ergibt sich die Frage:
»Und stört ihn das nicht? «
»Er könnte mein Vater sein. Auch der Arzt war mein Vater. Sie sind mein Vater, wenn Sie mich festhalten.« Robert umarmt sie mit unväterlichem Griff.
»Sie sind herrlich kompliziert, Liebes. Ich mag das.« Zum ersten Mal fällt ihm auf, wie recht sie gehabt hat: Anredeform und Kosewort sind nur Gewohnheit. Der Breite des Bettes angemessen wird das Appartement mit zwei Schlüsseln vermietet. Sidonie kommt oft in der Mittagspause,
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