Die Frühstücksfreundin
um sich hinzulegen. Robert schaut nur gelegentlich herein. Er muß sich in der Kantine blicken lassen, so sehr ihm das mißfällt. Am liebsten käme auch er täglich, ein Süppchen kochen und bei ihr sein. Gerade jetzt schmerzt es ihn, sie allein zu wissen.
Sidonie bekommt wieder Spritzen, mißtraut dem Arzt und neigt zu Depressionen. Wenn Robert sie dann in die Arme nimmt, ist Himmelfahrt. Über Lust und Angst hinaus transzendieren sie ins Einssein. Ist Franziska das Lichte, Lebendige, lockt Sidonie gleichsam aus dem Dunkel zwischen beider letzter und jetziger Inkarnation, aus der Niemandszeit, seit der sie sich kennen. Robert hat auch versucht, ihr autogenes Training nahezubringen. Zur Selbsthilfe gegen die Angst, wenn er nicht bei ihr sein kann. Doch dazu gehört Ruhe. Ohne Blick auf die Uhr.
Das meiste bespricht er mit Sidonie, mit Franziska nicht mehr alles. Zum Teil liegt das an ihr. Die Völlerei bei K&K mit der erfrischenden Christine zeitigte dort Folgen, wo sie niemand erwartete: Franziska fand die Idee mit dem ehefreien Abend nachahmenswert, in allem Ernst.
»Ich war nicht einmal überrascht«, berichtet er Sidonie, »eher erleichtert, daß auch sie etwas tut, wovon ich nichts weiß. Von uns hat sie keine Ahnung, und gegen die Ehe richtet es sich auch nicht.«
Da saß er dann am frühen Abend, unterhielt seine Kinder und sich mit ihnen, trank Obstschnaps und war verärgert. Jennifer und Martin tobten herum. Robert hatte mit Franziska einen alten Film anschauen wollen. Allein mochte er nicht. Da klingelte das Telefon. Karin.
Jetzt sei es soweit: Karl habe sich den Abend frei genommen. Franziska auch, berichtete Robert. Das schien sie zu beruhigen, insbesondere seine Bemerkung, vielleicht seien die beiden ins Kino, um zu sehen, wie sie beide reagierten. Karin beschloß, auch ins Kino zu gehen, kam zu Robert gefahren, und sie sahen sich zusammen den alten Film im Fernsehen an. Bis Franziska zurückkehrte und von Karl nichts wußte. Karin wurde wieder unruhig und fuhr nach Hause.
Robert hielt sich an die Spielregel: er fragte nichts und Franziska sagte nichts, nur, daß sie demnächst wieder wegzugehen gedenke, und wann er seinen freien Abend nehmen wolle.
»Ach weißt du, Liebes, wir legen die Termine am besten zusammen. Wenn du aus dem Haus gehst, hab ich ja auch ehefrei, und die Kinder sind nicht allein.«
Den naheliegenden Gedanken, die gebotene Freiheit zu nutzen, um sich mit Sidonie in der Schleiflackpracht ihres Appartements zu treffen, verwarf er sofort wieder. Nach Einbruch der Dunkelheit, wenn jede allein zu Hause sitzende Ehefrau, bei dem Gedanken an ihren Mann, die Umarmung einer anderen Frau nicht ausschließt, wäre es leichtsinnig, dem Klischee zu entsprechen. Hierin stimmt Sidonie mit ihm überein. Mehr aber als die Aktivität seiner Frau überrascht ihn Sidonies Kommentar dazu.
»Das beweist, wie stark unsere Verbindung ist.«
Dem erwarteten Kopfschütteln kommt sie erläuternd nach:
»Sie sind ausgeglichener. Ihre Frau muß nicht mehr Gegenposition beziehen. Das bekommt ihr. Und beweist auch, daß sie nichts weiß.«
Hingeworfen wie im Fenster eines teuren Geschäfts, liegt ihr gelbes Sommerkleid auf einem der drei Schleiflacksessel. Die Farbe steuert seine Gedanken zu Franziska.
»Am Sonntag gehen wir ins Theater — ein Gastspiel.«
»Wir auch.«
Sidonie muß lachen, freut sich, will sie die Reihe wissen, in der er sitzt. Robert hat keine Ahnung. Das war Karins Idee.
»Wir werden nicht allein sein. Unsere Freunde kommen mit.«
»Je besser verpackt, desto besser.« Sidonie drückt seine Hand. »Unser erster Auftritt in der Öffentlichkeit.«
»Leider getrennt.«
»Sie werden sehen, wie aufregend das ist.«
Es hatte Ärger gegeben, mit beiden. Bis in die Schläfen klopft die Spannung schon an der Garderobe des Theaters.
»Zweimal, der Herr?«
»Ja bitte.«
Robert sieht Robert kommen, von der Glastür zum Foyer, hinter ihm Sidonie. Wie Vater und Tochter. Sie kommen direkt auf sie zu. Weil Robert herschaut, kann Robert nicht hinschauen, so geeignet der Augenblick wäre, da er Franziska aus dem Mantel hilft. Aus dem neuen Mantel, für den er sich nicht genieren muß. Erst als der andere Robert das gleiche tut, reicht es für einen ausdruckslosen Blick. Doch der elektrisiert. Robert spürt die Aufregung, er zittert sogar.
Wie fremd sie aussieht. Liegt’s an der Frisur? Am Make-up?
Franziska merkt nicht, wohin er schaut. Sie wechselt die Schuhe. Es regnet wieder einmal.
Weitere Kostenlose Bücher