Die Frühstücksfreundin
so kam ihm vor. »Ihr Mann zeigt es Ihnen sicher gern. Da sparen Sie Fahrstunden.«
Fasziniert von der Gelegenheit zu sparen, nahm Franziska auf der Stelle ihre erste theoretische Stunde, an der auch Karin ratkräftig mitwirkte. Die Männer waren ausgeschaltet. Christine hielt die Eßstäbchen wie einen Schaltknüppel; das Kuppeln ließ sich am Tisch nicht erklären, und so standen alle drei auf.
Robert kam diese Entwicklung gelegen. Er mußte Karl unter vier Augen sprechen, heute noch. Vorerst aber trieb hartnäckiger Appetit die Kaumuskulatur beider weiter.
Das Grinsen des Portiers im Hotel Elite war unerträglich geworden. Zudem stellte er neuerdings Fragen: »Kommen Sie gut voran mit Ihren Übersetzungen?« oder: »In welchem Zimmer arbeiten Sie am besten?«
Sidonie fand es unmöglich, sich dem weiter auszusetzen.
»Dieser Mensch macht Anspielungen, damit wir das Trinkgeld erhöhen. Und nachher redet er doch. Das ist mir zu gefährlich.«
Es gab nur eine Lösung: ein eigenes Zimmer. Robert dachte sofort an die Kosten, Sidonie an die Lage. In der Zeitung hatte sie ein Inserat entdeckt, das ihr geeignet erschien: zwei Häuser neben dem Elite. »Schauen Sie sich’s an, Robert, und nehmen Sie’s, wenn es Ihnen gefällt.«
In der Mittagspause war Robert dort gewesen. Renovierter Altbau, hell, nach Farbe riechend, geräumig. Die Vermieterin wohnte in der obersten Etage und war zwei Köpfe kleiner als er, eine zierliche Person im Pensionsalter. Mit einem Ausdruck, der deutlich machte, daß sie bessere Tage gesehen haben mußte, maß sie den Mietbewerber.
»Haben Sie Referenzen?«
Sidonies Bank fiel ihm ein. Das klang seriös und unverbindlich und genügte ihr auch prompt nicht.
»Und von wem da? «
»Von der Auslandskorrespondenz.«
Und weil sie bessere Tage gesehen hatte, lächelte sie: »Ich habe lange in Rom gelebt. Sprechen Sie italienisch?«
»Un pochino. Aber eine Mitarbeiterin von mir spricht fließend. Sie werden sie kennenlernen.«
Damit war Sidonie über die erste Hürde gehoben. Doch die Vermieterin blieb trotz der schönen Parlierungsaussicht gemessen.
»Und woher kommen Sie?«
Zuerst verstand Robert die Frage nicht, besann sich jedoch noch rechtzeitig. »Ich bin von hier.«
»Verheiratet?«
»Ja«, sagte er und schob Jennifer und Martin zur Stütze seiner Seriosität nach. Die erwartete Wirkung brachten sie nicht.
»Warum nehmen Sie sich dann ein Appartement?«
»Beruflich«, fiel ihm ein, »ich bin in Umstellung. Kurz vor einer Firmengründung.«
»Und was sind Sie von Beruf, wenn ich fragen darf? Ich muß ja wissen, wer ins Haus kommt, Sie verstehen.«
»Aber gewiß doch. Ich bin... Jurist. Juristischer Sachverständiger im Versicherungswesen«, verbesserte er sich im Hinblick auf Rückfragen, denn mittlerweile hielt er alles für möglich. Im Notfall konnte er ja sagen, das Zimmer gefalle ihm nicht. Wenn es sich in ihrer Wohnung befand, würde er das sagen. Doch so weit war es noch nicht.
»Und wer wird hier wohnen? Sie?«
Jetzt auf der beruflichen Linie bleiben! Zuverlässig schüttelte er den Kopf:
»Eigentlich niemand. Das Appartement soll sozusagen als Stadtbüro verwendet werden.«
»Hm. Drei Monate Miete im voraus müßte ich unter diesen Umständen verlangen«, überlegte sie laut. »Sagen Sie, warum nehmen Sie sich eigentlich kein Büro?«
»Die Lage. Wo gibt’s in dieser idealen Lage noch ein Büro? «
Sein Charme und das Kompliment streiften sie nur, der Kern blieb hart.
»Auf jeden Fall brauche ich Ihre Adresse. Und Ihr Telefon, falls mal was sein sollte.«
Robert wollte Sidonie Erfolg melden können, gab seine Karte ab und schickte die Bitte um Diskretion hinterher:
»Nur in Ausnahmefällen. Es genügt, wenn Sie mir einen Zettel hinlegen, ich komme ja täglich.« Mit bewegter Stimme wies er darauf hin, wie peinlich, ja schädigend es wäre, wenn sein derzeitiger Arbeitgeber vor der Kündigung etwas erfahren würde.
Ihr Kopfschütteln war dem geschilderten Ernst angepaßt. Sie nahm einen Schlüssel von der Kommode der Diele, wo die Unterredung stattgefunden hatte, und ging voran. Hinaus, glücklicherweise. Das Appartement, eine Etage tiefer, besaß einen eigenen Eingang. Großbürgerliche Nostalgie wehte Robert aus Damastvorhängen an, aus reichverzierten Möbeln, im Stil einer Privatneurose zwischen Chippendale und Konditoreirokoko, durch Schleiflack gemildert, Teppiche auf Teppichen, ein Nachkriegsrembrandt, gekacheltes Bad mit Nickelarmaturen, Kochnische
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