Die Frühstücksfreundin
zu werden pflegen, mit streitlustigen Augen, rechthaberisch und voller Kraftreserven. Eine starke Person, die in nichts schwach oder kränklich wirkte. Sie hatte große Pläne, vor allem ihre Garderobe betreffend. Davon sprach sie hauptsächlich, von sich und von dem, was sie brauchte. Für sich. Interesse aller Anwesenden für ihre Person setzte sie als selbstverständlich voraus, und die vier ließen sie in dem Glauben.
Noch vor dem Essen erschien Sebastian, der Stolz der Familie, um Omilein Gute Nacht zu sagen. Sie küßte das Wunderkind auf den Mund und übersah, wie Sebastian ihn sich schnell wieder abwischte.
Warum küssen Erwachsene Kinder auf den Mund? ärgerte sich Robert. Das ist eine glatte Vergewaltigung. »So spät gehst du ins Bett?« tönte Omilein, »als ich in deinem Alter war, habe ich um diese Zeit längst geschlafen.«
»Das waren auch andere Zeiten, Mama.«
Karl kannte das Spiel und gab den Vorwurf umgehend zurück. Seine Mutter nahm davon ebensowenig Notiz wie von ihrem Enkel, der sich nach dem Pflichtkuß schleunigst wieder verzog. Barfuß. Omilein entging das nicht.
»Ich komme gleich«, rief ihm Karin nach, während sich ihre Schwiegermutter an Franziska wandte: »Lassen Sie Ihre Kinder auch barfuß herumlaufen? Ich hätte das nie geduldet. Es ist doch sehr proletenhaft.«
»Ich finde, es ist gesund«, antwortete Franziska. An der Bar öffnete Karl eine Weinflasche, Karin war hinausgegangen, Franziska unterhielt sich mit Omilein. Robert schaute in den Garten, in die Schwimmhalle, in die Küche. Es war eine gute Gelegenheit:
»Karin, mich geht es zwar nichts an, aber als Freund möchte ich dir sagen: Ich habe heute Christine getroffen, zufällig. Ich glaube, du warst ein bißchen voreilig. Sie weiß von nichts. Karl wohnt auch nicht bei ihr.«
»Das wird sie gerade dir auf die Nase binden.« Karin drückte ihm die Platte mit dem Fleisch in die Hand. »Du tust ihr unrecht«, widersprach er. »Sie ist ein nettes Mädchen. Man kann ganz offen mit ihr reden.« Doch Karin wurde gerade wieder von ihrer Haltung geplagt.
»Lieb von dir, Robert. Aber es interessiert mich nicht mehr, wo Karl sich herumtreibt.«
»Vielleicht tust du ihm auch unrecht. Er hängt an dir.«
Sie sagte nichts, Robert fuhr fort:
»Ich glaube, er hat seine Mutter kommen lassen, damit er wieder nach Hause kann.«
»Zuzutrauen wär’s ihm.« Es klang nach Hoffnung. »Vielleicht kann ich dir morgen Genaueres sagen.« Robert nahm noch die Salatschüssel und ging voraus. Karin folgte ihm mit den Beilagen.
»Was gibt’s denn morgen?« erkundigte sich Omilein und nahm reichlich von dem, was es heute gab. »Ihr wißt, wie anspruchslos ich bin. Wegen mir müßt ihr wirklich keine Umstände machen. Ich bin mit allem zufrieden. Leider ist mein Magen empfindlich. Mir bekommt nicht alles. Vom Kalb zum Beispiel nur...«
»...das Filet«, unterbrach Karin. Sie kannte den Text. »Besonders gut verträgst du Rehrücken. Den bekommst du morgen in der Einkaufszentrale. Da haben wir alles unter einem Dach.«
Hatte Omilein bei dem Gericht erfreut die Augenbrauen gehoben, rutschten sie bei dem Schauplatz bis an die Grenze der Grimmigkeit hinunter. Doch sie kümmerte sich weiter um sich.
»Hoffentlich habt ihr euch ein bißchen Zeit genommen für die Abende.« Sie wandte sich Robert zu. »Ich gehe leidenschaftlich gern ins Theater und komme so selten dazu. Habt ihr euch schon überlegt, wo wir hingehen könnten?«
»Das entscheidest du, Mama. Je nachdem, wie du dich fühlst.«
»Ich fühle mich großartig«, erklärte Omilein zu Robert gewandt, der das am wenigsten beurteilen konnte. »Auch Oper interessiert mich. Aber nur in der ersten Reihe. Weiter hinten verstehe ich nichts. Und vor allem möchte ich in Ausstellungen.«
»Karl geht mit dir. Wohin du willst«, sagte Karin mild. »Als Begleiter ist er fabelhaft.«
»Ja, das ist er.«
Die schwere Mutterhand tätschelte den alten Knaben. Karin nickte ihr zu.
»Ich kann leider nicht mitkommen. Wegen Sebastian. Wir haben ein neues Mädchen.«
Omilein winkte ab. Ihre gepflegten Nägel glänzten. »Ich kenne das. Diese jungen Dinger bringen immer Unruhe ins Haus.«
»Gewiß. Aber Karl ohne Mädchen...«
»Undenkbar«, sagte Franziska ernst. Robert sah auf seinen Teller.
»Dann gehen eben wir beide, nicht, Karli?« Omilein hatte für alles Verständnis. »Wir Frauen sind nun mal stille Dulderinnen. Daran hat sich nichts geändert.« Zufrieden sah sie in die Runde. Alle nickten
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