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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Zuhauseschlüsseln, die profilreiche Altbautür schwenkt ein, zwei Treppen, ohne viel Worte, beide sind mit Regenspuren beschäftigt, der zweite Schlüssel dreht sich, sie stehen in der Schleiflackpracht. Es ist aufgeräumt, Sidonies Morgenmantel mit dem aufgestickten »S« hängt an der Badezimmertür. Sie selbst ist bei dem Wetter in der Bank geblieben. Gleichwohl schreit das Nest, dessen eindeutige Aura ihm erst jetzt bewußt wird, nach einer Erklärung. Was muß Christine, bei allen Regengüssen der Welt, denken, wenn ihm nicht sofort etwas einfällt? Robert stellt den bunten Schirm aufgespannt in die Ecke und wundert sich stellvertretend für sie.
    »Hm, das sieht aber sehr nach einem sogenannten Liebesnest aus. Ich habe den Schlüssel von einem Kollegen...«
    Am Schlüsselbund! wird sie denken und ihn günstigstenfalls für pedantisch halten.
    »Ist doch völlig egal bei dem Wetter, Hauptsache, es ist trocken.« Christine steht schon im Bad, kämmt sich das Haar mit Sidonies Kamm, nimmt von ihrem Eau de Cologne, trocknet die nackten Beine mit seinem Frotteetuch, wieder orange, diese Woche. »Zimmer mit Bad. Genau das, was ich brauche.«
    »Haben Sie Hunger?« fragt Robert, »im Kühlschrank soll was sein.«
    Sie schaut nach, findet ihre Lieblingsmarmelade, die Roberts Lieblingsmarmelade ist, dazu Butter, Weißbrot, Käse, Wurst, Sardinen, Milch.
    »Meinen Sie, ich darf?«
    Robert ist überzeugt davon, daß der Besitzer nichts dagegen hat. In einem der Schleiflacksessel sitzt er ihr gegenüber, bewundert die Selbstsicherheit, mit der sie sich einrichtet. Christine hat Zeitungspapier in die nassen Schuhe gestopft und sitzt im Schneidersitz auf dem Bett, vor sich ein Tablett mit allem, was da ist, Teller und Besteck dazu.
    »Jetzt können wir anfangen«, sagt sie. »Möchten Sie auch was?«
    »Ein Marmeladebrot, bitte.«
    Während sie es ihm zurechtmacht, kommt sie zur Sache:
    »Ich hatte keine Ahnung von der Ehekrise bei Karl. Glauben Sie mir das?« Robert glaubt es ihr. Christine spricht mit vollem Mund und wird trotzdem immer deutlicher:
    »Ich will ehrlich sein. Ich wollte was von Karl. Ich hab ihn durch meine Freundin kennengelernt, die auch bei ihm arbeitet. Meine Ehe war gelaufen, und ich dachte, ein Scheidungsanwalt in petto wär nicht schlecht. Er gefiel mir nicht gerade übermäßig, aber er war amüsant, großzügig. Da habe ich mir gesagt: Jetzt hast du monatelang eheliche Pflichten erfüllt, bloß weil du nicht wußtest, wohin, und da ist einer, der dir weiterhelfen kann. Bis zum Wintersemester muß ich’s geschafft haben. Ich will ja weiterstudieren.«
    Robert bleibt bei der Sache.
    »Und wie hat er Ihnen geholfen?«
    »Er hat mir zu einer sehr gut bezahlten Arbeit verholfen. Mehr gibt’s nur gegen mehr, und das gibt’s nicht mehr. So ist das.«
    »Aber er zeigt sich mit Ihnen in der Öffentlichkeit, auf dem Tennisplatz...«
    »Ja, zeigen tut er sich gern mit mir. Den Eindruck erwecken, als ob...«
    »Das ist ihm auch sehr gut gelungen.«
    »Warum soll ich mich nicht mit ihm sehen lassen? Karl kennt eine Menge Leute.«
    »Ach so. Sie suchen jemand, der Ihnen finanziell, gesellschaftlich und physisch gleichermaßen angenehm ist?«
    Christine schüttelt den Kopf.
    »Ich suche Beziehungen, die nicht mit Bedingungen verbunden sind. Ich muß auf eigenen Füßen stehen. Liebe ist etwas anderes.«
    Bei ihr ist der Mann Partner. Sie würde nie sagen: Das entscheidest du! denkt Robert und kann sich, in eine Einleitung verpackt, die Frage nicht verkneifen:
    »Sie sind ein realistisches Mädchen, Christine. Aber sagen Sie, woran ist die Geschichte mit Karl dann gescheitert? Oder ist das indiskret?«
    Sie lächelt.
    »Karl hat ein paar gute Eigenschaften. Er hört mir zu und ist hilfsbereit. Alles andere muß ganz einfach nicht sein.«
    Auch Robert kann ihr zuhören, nickt nur und läßt sie weiterreden. Denn jetzt muß sie noch einmal mit Karl sprechen. Er kann nicht einfach behaupten, er habe ihr ein Appartement eingerichtet, so eines wie das hier, womöglich. Er kann nicht einmal den Anschein erwecken, indem er nicht widerspricht. Das läßt Christine nicht auf sich sitzen. Sie will ihre Freiheit. Aushalten läßt sie sich nicht. Höchstens — sie sitzt auf dem breiten Bett und vollführt eine ungewisse Geste mit der Hand — für sehr, sehr viel Geld. Und dann wahrscheinlich auch nicht.
    »Ihre Ehrlichkeit ist überwältigend. Ich fürchte nur, Karl bricht zusammen, wenn Sie ihm das so sagen wie mir

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