Die Frühstücksfreundin
sie aus therapeutischen Rücksichten nicht. Dann bewies Franziska, daß ein Frau-zu-Frau-Gespräch, seiner Klarheit und Gedankenschärfe wegen, patriarchalischem Ratgeplätscher unbedingt vorzuziehen ist.
»Du mußt dir darüber im klaren sein, ob du dich von ihm trennen willst.«
»Ich will nicht.« Es klang trotzig. »Aber ich muß.«
»Du mußt ihn loslassen. Wenn alle Frauen so wären wie du, Karin, müßte man die ehelichen Beziehungen gewerkschaftlich regeln. Lebe du dein Leben und laß ihn seines leben.«
»Dann kommt er überhaupt nicht mehr nach Haus.«
»Weil er deinen Tag-und-Nacht-Bereitschaftsdienst nicht aushält. Ehemänner sind Leihgaben. Laß ihm seinen freien Abend und nimm dir auch einen.«
»Das halte ich nicht aus.«
»Dann fang was an. Mach ihn eifersüchtig.«
»Wie kannst du so was sagen? Allein schon der Gedanke ist mir widerlich.«
»Du hast zu viel Zeit. Lenk dich ab. Arbeite was. Aber sitz nicht da und warte. Manchmal hab ich das Gefühl, er will dich nur provozieren. Aus irgendeinem Grund.«
»Du hast leicht reden, mit Robert als Mann.«
In solchen Momenten mißfiel ihm seine Musterrolle. Zum Glück wertete ihn Franziska mit Mißtrauen wieder auf.
»Wenn Robert mich vor ähnliche Tatsachen stellen würde, was man nie wissen kann, wäre mein erster Gedanke nicht: Wie schrecklich für mich, sondern: Woran liegt es, daß es dahin kommen konnte?«
Auch Robert stellte sich diese Frage umgehend. Woran lag es, daß es mit Sidonie so weit gekommen war? Eine Antwort darauf fiel ihm nicht ein. Doch wichtiger als die Ursache war ihm der Schluß, den Franziska daraus zog: Sie würde alles tolerieren und den Fehler bei sich selbst suchen, wenn sie ihm glaubte, was sie ihm nicht zutraute. Er hatte sich Mühe gegeben, hätte ihre Toleranz verdient. Aber wie sollte sie den Fehler bei sich selbst suchen, wenn sie ihm nicht einmal zuhörte? Erneutes Klingeln brachte neuen Lernstoff über die Qualität von Wahrheit. Zielsicher drängte Karl herein. Wenn Karin davonlief, dann zu Franziska. So einfach war das. Robert konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen:
»Du beschäftigst uns wieder mal mit dir.«
Karl war ernst: »Entschuldige, es ist was passiert: Meine Mutter kommt.«
Sie traten ins Wohnzimmer. Karin sah ihn nicht an und hörte mit versteinertem Gesicht zu, wie er sich bemühte:
»Komm bitte nach Haus, Karin! Ich weiß, es ist unmöglich von mir, aber ich kann jetzt meine Mutter nicht mit unseren Problemen belasten. Du weißt, Mama darf sich nicht aufregen, mit ihrem Herzen.«
»Und ich darf mich aufregen? Du denkst wieder einmal nur an dich.«
»Im Augenblick denke ich an Mama.«
»Und für sie soll ich glückliche Ehefrau spielen? Abends mit dir Händchen halten? Sag ihr, ich bin verreist. Zu meiner Mutter.«
»Ich hab doch schon gesagt, daß du da bist. Sie freut sich auf dich.«
»Wie reizend! Wer hat sie denn am Bein, den ganzen Tag? Wer darf mit ihr in die Stadt fahren, von einem Geschäft zum andern und die Verkäuferinnen wieder beruhigen, wenn sie sie schikaniert und dann doch nichts kauft? Das letzte Mal waren es vier Wochen. Ich denke nicht daran.«
»Karin, ich bitte dich!«
Plötzlich drehte sie sich ihm zu.
»Warum stellst du ihr nicht meine Nachfolgerin vor? Wenn sie ihren geliebten Karli glücklich sieht, trifft sie der Schlag wenigstens vor Glück.«
»Sei nicht so böse.«
Robert und Franziska gingen aus dem Zimmer, setzten sich in die Küche. Er drehte den Wasserhahn auf, um nicht jedes Wort zu verstehen.
»Scheußlich«, sagte Franziska; er legte den Arm um sie.
Als Karin drinnen aufheulte, griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest, bis die Freunde die Tür öffneten und nach knapper Entschuldigung, miteinander, aber unversöhnt, die Wohnung verließen. Hinter der Tür, die Robert abschloß, schlang Franziska die Arme um seinen Hals, als wolle sie sich überzeugen, daß es bei ihnen anders sei.
»Seit Jahren weiß sie, was los ist, und jetzt, wo sie’s vor sich selber zugeben muß, dreht sie durch.«
Robert versteckte sein Gefühl hinter einem Vorwurf: »Und du würdest etwas anfangen.«
»Wenn du tatsächlich was hättest mit deiner Frühstücksfreundin — sofort. Und wenn ich mich dazu zwingen müßte.«
Um das nicht zu riskieren, beschloß Robert, die angebrochene Wahrheit auf unbestimmte Zeit zurückzustellen und sagte, mit aufgesetztem Lächeln nur: »Soso.«
7. Räumliche Trennung
Kein Verlaß ist auf das sogenannte Gewissen, jenen
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