Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
Wohnung einzuladen. Als ihr Mann die Stücke sehen wollte, steckte er zurück — das Paar habe sich wieder versöhnt. Damit war sein Gastspiel beendet.
    Erst nach sieben Uhr kam Robert ins Hotel zurück, hatte gute Arbeit geleistet, aber doch nicht alles erledigen können, was er vorweisen wollte, um sich dem Chef als umsichtig und zuverlässig zu empfehlen. Sidonie erwartete ihn schon im teuren Doppelzimmer, nicht ungeduldig, doch angespannt, sagte nichts, fragte nichts. Robert öffnete eine halbe Flasche Champagner aus dem Kühlschrank, reichte ihr ein Glas, an dem sie nippte, während er sich mit möglichst gewandten, flüssigen Bewegungen umzog, sich in Frische und Unternehmungslust gleichermaßen übernahm, wie in heiterer Konversation.
    »Was macht denn unser lieber alter Freund?«
    »Nicht mehr gesehen. Es ist eine Ärztetagung hier.« Vorsichtshalber verließen sie das Zimmer mit Minutenabstand, Sidonie nahm den Lift und er die Treppe. Vor dem Hotel trafen sie sich, gingen zu Fuß, Hand in Hand. Sie fühlten sich frei, die Luft war klar, es war schön. Er st als sie das renommierte Restaurant betraten, kehrte mit erhöhter Wachsamkeit das vertraute Gefühl zurück. In mehreren Räumen unterschiedlicher, dabei g leichermaßen aufwendiger Dekoration wurde gut und vor allem teuer getäfelt. Wohlweislich hatte Sidonie vorbestellt, und sie konnten sich geleiten lassen, vom langbeschurzten Ober, ins Tessiner Zimmer, wo der San Salvatore die Wand zierte, gegenüber der Uferpromenade von Ascona, und der Wein aus kleinen dreieckhalsigen Krügen getrunken wurde. Der Langbeschurzte reichte ihr die Speisekarte ohne Preise, ihm, das schockierende Pendant, sowie die Weinkarte. Liquides, auch wenn in Sprache übersetzt, erinnert Robert an Versäumtes beim hastigen Anzugwechsel im Hotel.
    »Bin gleich wieder da, Liebes.«
    Wortlos deutete der Langbeschurzte in die Richtung, mit jener Sicherheit, mit der Einheimische den Touristen in seiner Sprache ansprechen, noch bevor der alle Vokabeln zusammengerafft hat. Immerhin, die Herrentoilette war kantonneutral.
    Geschnetzeltes mit Rösti wird er bestellen, vorher eine Ochsenschwanzsuppe, davor vielleicht noch ein Heringsfilet. Er hatte großen Hunger, die Pause war zu lang gewesen. Nach dem Plastikgeknabber im Flugzeug eine ordendiche Grundlage als Grundlage, vor allem gegen die bleierne Müdigkeit.
    Über die Graubündener Stube strebt er zurück ins Tessin. Ohne Paßüberquerung. Da schaut Sidonie herüber, eisig, wie der Bernardinogipfel. Ihr vis-à-vis, von seinem Platz, ragt ein anderer Gipfel empor, den es in den Alpen nicht gibt, der Gipfel der Impertinenza — Kirschner!
    Zufall oder Schicksal — es ist wieder die Flugzeugsituation: Robert könnte etwas sagen, kann aber nichts sagen, will auch nichts mehr sagen müssen, wechselt hinüber ins Engadin, da wo’s zur Tür geht.
    Luft!
    Durch die wellige Scheibe sieht er sie getüpfelt sitzen — ein unbekannter van Gogh.
    Allein atmet er die klare Luft.
    Im Nest bleiben! Keine Ausflüge in die Öffentlichkeit. Es war seine Schuld, ein Trugschluß. Soll Kirschner zahlen in dem teuren Laden; es ist sowieso nicht gut, abends schwer zu essen. Morgen muß er fit sein. Hier geht es um den Beruf und um sonst gar nichts. Irgendwo noch eine Kleinigkeit, was Kräftiges.
    Statt Geschnetzeltes im Tessiner Zimmer werden es Würstchen am Gehsteig, vorm Campinganhänger, zwei heiße Würstchen mit Senf auf Pappteller, ein Bier dazu, eine Scheibe Brot.
    »Gurke, der Herr?«
    »Ja, bitte.«
    Die Fettfinger abgewischt, bezahlt und zurück in die Nobelherberge. Die Luft tut ihm gut.
    Sidonie.
    Was macht sie jetzt? Sie wird essen und dann ins Hotel drängen. Es ist ja noch früh, das Fernsehen zeigt gerade die Wetterkarte, als er einschaltet und sich einen Whisky holt aus dem Kühlschrank, sich auf dem Bett ausstreckt. Roßhaar. Wär auch noch schöner bei dem Preis. Jetzt kann er ihn abliegen, wach und wartend. Um neun Uhr frühestens könnte sie zurück sein. Inzwischen wird er sich Notizen machen, sich vorbereiten für morgen. Das hätte er vernachlässigt, ohne Kirschner. Eigentlich kann sie nicht vor halb zehn da sein.
    Das Telefon erweist sich der Preisklasse angepaßt: Vom Zimmer aus kann er durchwählen, läßt es läuten, bis die Leitung automatisch unterbrochen wird, wählt noch einmal, langsamer. Sie muß doch da sein — die Kinder! Nach dem dritten Versuch braucht er Gewißheit, ob es an der Selbstwählautomatik liegt oder an der

Weitere Kostenlose Bücher