Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
drinnen, ein uniformierter Knabe öffnet ihm die Tür. Da stehen sie an der Rezeption. Muß der alte Knacker auch im selben Hotel wohnen? Ja, er muß.
    Robert stellt seine Reisetasche auf einem Sessel ab und sieht sich um, nachdenklich-weitgereist. Etwas muß er tun, und weil er nicht weiß, auf welchen Namen Sidonie bestellt hat, geht er langsam in Richtung Rezeption. Vielleicht gibt sie ihm einen Wink, ein Zeichen. Das Spiel fängt an, ihm Spaß zu machen. Die beiden füllen gerade Anmeldungen aus.
    »Hier trifft man sich also wieder«, macht er sich bemerkbar und wird bemerkt. Höfliches Nicken. »Guten Tag. Haben Sie bestellt?« fragt der Mann vom Empfang. Robert schüttelt den Kopf:
    »Ich erwarte noch einen Anruf. Davon hängt ab, ob... Oder soll ich prophylaktisch...?«
    Wenn er bis vierzehn Uhr Bescheid gebe, sei das ausreichend, erfährt Robert, und Sidonie weiß jetzt, daß er ihren Anruf erwartet. Mit guten Wünschen für eine schöne Zeit geht er zu seiner Ledertasche zurück, holt sich eine Zeitung und wartet. Sidonie und Kirschner werden zum Lift geleitet, ein nobles Paar. Sie paßt überhaupt zu älteren Herrn. Ohne zu lesen, schaut Robert in die Zeitung, faltet sie wieder zusammen, geht zur Telefonzentrale und nennt seinen Namen; da wird er verlangt, hastet in die Kabine.
    »Das haben Sie gut gemacht.«
    Ihr Lob klingt fern und atemlos. Sidonie kommt zur Sache, doch er versteht sie kaum.
    »Warum reden Sie so leise?«
    »Kirschner wohnt nebenan! Keine Doppeltür. Ich habe ihn schon husten hören. Er versteht sicher jedes Wort.« Seine Frage, ob es das Zimmer neben ihm sein mußte, ist berechtigt, doch er sieht den Grund sofort ein.
    »Unser Zimmer konnte ich nicht nehmen. Es ist auf Ihren Namen...«
    »Und jetzt?«
    »Sie nehmen es natürlich.«
    »Aber ich habe doch gesagt...«
    »Es sei bereits für Sie bestellt worden, sagen Sie. Und dann rufen Sie mich an, 327.«
    »Gut. Und dann gehen wir zu Mittag essen.«
    »Sobald er weg ist. Er hat zu tun, hat er gesagt. Gott sei Dank.«
    Es gibt schon merkwürdige Zufälle: Zimmernummer und Zimmerpreis bilden zusammen die Nummer, die Robert anrufen muß, beruflich, was er als erstes tut, ausgestreckt auf dem breiten Bett liegend, das mit dem Kopfende an der Wand steht, eine Sünde in Kosten und Dekor, ähnlich ihrem Schleiflacknest, sogar im Arrangement, nur vergleichsweise funktioneller, entrümpelter, Bar im Kühlschrank, Fernsehen, Toilettentisch, Bidet.
    Sidonie wird sich freuen. Sidonie kommt und freut sich. Sie hat sich umgezogen. Schön ist sie! In sozusagen außerberuflicher Kleidung kennt er sie ja nicht, bis auf den Theaterabend und das Fest im Club. Sie weiß ein renommiertes Restaurant in der Nähe, Schweizer Küche, die sie bevorzugt, was er nicht weiß. Heimlich Liebende kennen einander nur ausschnittweise. Kirschner ist weg; jetzt fängt alles erst an. Und jetzt muß er’s ihr sagen. Fast kann er’s nicht.
    »Es tut mir leid, ich muß sofort weg. Einer von den Leuten, die ich sprechen muß, fährt heute nachmittag in Urlaub.«
    Ruhig sehen ihn die grauen Augen an. Und wieder erweist es sich: die Jahre mit Kirschners Freund und Kollegen in aller Welt waren nicht umsonst; mit dem Mund glättet sie die Verzweiflungsfalte auf seiner Stirn. »Nicht so schlimm! Wir haben ja den Abend und...«
    »Und was machen Sie so lange?«
    »Ich lasse mir eine Kleinigkeit aufs Zimmer kommen, werde schlafen und baden und mich auf Sie freuen.« Tapfer lächelt sie ihn an. »Wir lassen uns doch nicht aus der Fassung bringen, oder?«
    Es ist einer jener Augenblicke, da Vernunft Leidenschaft entfacht, die nur durch Pflicht wieder in Vernunft zurückverwandelt werden kann.
    Statt mit der Geliebten in einer Kutsche, saß er mit dem Schnellhefter in der Straßenbahn, im Vorortzug, fragte sich, statt Schwäne zu füttern im Park, auf der Straße durch, irrte in einem Neubau herum, statt unter Arkaden mit ihr zu wandeln, saß in einer Werkstatt, in einer Kommunalbehörde, in einer Wohnküche und nicht im Ruderboot mit ihr unter den breiten Lichtspeichen des Nazarenerhimmels. Der Schreibtischtäter erlebte, wie das ist, was er sonst nur liest. Chancen beginnen unten. Auf den Wegen zwischen den Stationen, wo er lügen mußte und taktieren, um zu erfahren, ohne aufzufallen, fiel ihm Karl ein, der bei Sidonie ganz schön gelogen hatte. Mit wertvollen Antiquitäten, die wegen einer Scheidung verkauft würden, hatte er sie dazu gebracht, mit ihm zu essen und ihn in die

Weitere Kostenlose Bücher