Die Frühstücksfreundin
hat er geleert. Kleine Anflüge von Wohlbehagen beim Schuhausziehen, beim Zähneputzen, beim Zurechtknautschen des großen Kissens. Und noch einmal Pflicht.
»Ich möchte morgen um halb sieben geweckt werden«, sagt er in den Hörer, sagt Danke und Gute Nacht. Es dauert, bis sich der ganze Robert zurechtfindet in dem fremden Bett, die gewohnte Mulde fehlt in der Matratze. Doch das gleicht seine Müdigkeit aus. Unaufdringlich, dem Zimmerpreis angepaßt, summt das Telefon. Er tastet sich zurecht. Schon halb sieben?
»Robert.«
»Ja bitte?«
»Haben Sie schon geschlafen?«
»Nein, ich... Wieso? Wo sind Sie?«
»Robert, wir lassen es. Ich bin auch hundemüde. Dieser Abend...«
»Aber...«
»Man soll nichts erzwingen. Ich mag nicht nachts über Hotelkorridore huschen, und Sie müssen morgen um halb sieben raus. Ich habe gerade meinen Schlüssel geholt, als Sie den Portier anriefen. Schlafen Sie weiter, Robert. Gute Nacht.«
Für Robert war es ein anstrengender Tag gewesen, anstrengend, weil ungewohnt im Ablauf. Das Herumfahren in der Stadt und hinaus in die Umgebung, die fremden Menschen, mit denen er reden mußte, auf sein Fingerspitzengefühl angewiesen, und Gedanken an Sidonie, die auf ihn wartete. Als er mittags im Hotel anrief, um ihr zu sagen, sie möge auf einen späteren Flug umbuchen, nahm die Nachricht, die Dame sei bereits abgereist, eine Zentnerlast von ihm. Bei seiner Rückkehr fand er ein Briefchen im Postfach:
Auf Wiedersehen, da, wo wir hingehören.
Ohne Unterschrift. Sidonie war zweifellos die souveränste, vernünftigste und vorsichtigste Frau überhaupt. Blieb ihm die Rechnung für das Liebesnest ohne Geliebte, für Omileintelefon und das Frühstück mit Kirschner, morgens kurz nach sieben. Der Professor hatte sich zu ihm gesetzt, und die frühe Stunde hinderte ihn nicht, von Franziska zu schwärmen, dieser gescheiten, bezaubernden Frau, zu der er ihm gratuliere und die zu grüßen er bitte.
Franziska empfing ihn mit ungeschmälerter Herzlichkeit. Sie freute sich sogar. Nur der Kuß blieb aus. Dafür tobten Jennifer und Martin herum, als hätten sie eine Woche lang stillsitzen müssen. Aus der Bodenvase waren die Rosen verschwunden; Robert brachte neue, in Form von Grüßen des Professors, erwähnte seine Versuche anzurufen und erfuhr, irgend jemand müsse die Klingel abgestellt haben. Bei zwei Kindern nicht nachprüfbar. Mit einem Obstler zog er sich bald ins Schlafzimmer zurück, und Franziska folgte ihm. Die Batterie der Liebe schien sich erholt zu haben, der Ehedialog konnte wieder aufgenommen werden. Sie machte den Anfang:
»Wir sollten mal miteinander reden.«
»Aber nicht jetzt.«
Und ein langes Gähnen zeigte ihr, wie ernst er es meinte. Daß er sich trotzdem wie immer den Wecker stellte, beobachtete sie ohne Kommentar.
Hellwach und vorsichtig, trotz noch nicht ganz wiederaufgefülltem Schlafkonto, öffnete er am nächsten Morgen die profilreiche Tür, und nachdem im Schleiflacknest geschehen war, was sie für teures Geld hatten verschieben müssen, erlebte Robert im anschließenden Gespräch eine Überraschung.
»Ich wollte Schluß machen, Robert«, versicherte sie ihm wieder. »Dauernd diese Schwierigkeiten, als wollte mir das Schicksal sagen: Laß das! Hör auf damit! — Und ich kann nicht.«
»Liebes«, sagte er. Sie hat ihm mehr zu sagen:
»Da ist noch etwas...«
Robert ist auf alles gefaßt, und sie sagt es:
»Wir fahren in die Ferien. Wir werden uns lange nicht sehen.«
Sie nennt auch das Ziel, eine Costa, deren Namen er nicht auf Anhieb nachsprechen könnte, obwohl er ihn sich merken will.
»Aber Sie kommen doch wieder? Oder?« scherzt er.
Dann reden sie von dem Traumziel, das sie trennen wird, einen vollen Monat lang, nehmen Vorabschied und reden weiter. Sidonie kennt sich aus an dieser Costa, kennt die Hotels, Restaurants, Geschäfte, Preise, den Strand, das Meer, das Publikum. Ihre Schilderung macht es ihm möglich, sie wenigstens in Gedanken zu begleiten. Briefe oder Anrufe scheiden von vornherein aus. Die Erfahrungen haben ihn überzeugt. Solange alles bleibt, wie es ist, nimmt er Einschränkungen in Kauf. Sie tut es ja auch.
Der gewohnte Blick auf die Uhr. Sie müssen gehen. Sidonie spricht weiter, während sie die Treppe hinuntergehen, auf dem dicken Teppich leise wie auf Sand, hinunter — zum Strand, als warte draußen vor der Tür das Motorboot, um sie in die stille Bucht zu bringen, wo sie schwimmen werden und im Schatten liegen, den Tag über.
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