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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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sich nicht um Verschwendung handelte. Robert war es lediglich nicht gewohnt, um diese Zeit nach Hause zu kommen. Jetzt konnte er mitfühlen, wie mühsam das sein mußte, sich davonzustehlen und wieder zurück, mit Ausreden und komplizierten Inszenierungen, nur um leben zu können, so wie man ist, für ein paar Stunden pro Woche. Andererseits, was konzentriert mehr als Verbote, Zeitdrücke, Ungewißheit? Tolerierte Verhältnisse sind wie Ehen ohne Unterschrift und mit allem Alltag.
    Die Ehefrauen waren noch wach, lagen in den Ehebetten und redeten. Franziska auf seiner Seite, Karin auf ihrer. »Karin bleibt heute hier. Ich habe dir im Wohnzimmer dein Bett gerichtet.«

9 . Mit Zufällen rechnen

    Nazarenerhimmel mit breiten Lichtspeichen sieht immer nach Schicksal aus.
    In der Inlandhalle des Flughafens, wo abgepaßte Passagierflüge in Pferchen zur Verfrachtung in die Transportbehälter sortiert werden, sitzen sie und halten Händchen unter dem Mantel über ihrem Arm.
    Am vierten Morgen, als Robert das Appartement endgültig räumen wollte, lag Sidonie auf dem Bett. Es wurde ein wortloses Versinken. Erst in der Mittagspause fanden sie zu Worten:
    »Ich wollte Sie nicht mehr sehen, Robert. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, hatte Depressionen. Heute habe ich es nicht mehr ausgehalten.«
    Robert war ihr nicht böse. Alle Unruhe, alle Zweifel, alle Vorsätze waren vergessen, unwichtig geworden, weil sie einander wiederhatten. Vor ihnen stand ein neues Problem: Roberts Reise.
    Jetzt nur keine Trennung! Auch nicht für zwei Tage. Also warum nicht miteinander? Fremde Stadt, fremde Menschen, fremdes Hotel. Robert fühlte sich leicht, leichten Sinnes, und Sidonie, anfangs zögernd, arrangierte schließlich alles. Sie rief das Hotel, das in Frage kam, an und meldete sich in der Bank für zwei Tage krank.
    »Was haben Sie Ihrem Mann gesagt?«
    »Nichts. Er ist selber verreist.«
    Im Flugsteigpferch in der abgepaßten Menschenladung, mit Luft aus dem Blechschacht versorgt, sitzen sie und halten Händchen unter dem übergelegten Mantel, freuen sich auf die Stunden, die sie zusammen sein werden, Tag und Nacht. Wenige Nachzügler passieren noch die Schleuse mit dem sterilen Lächeln der Bodenstewardeß, das gerade ein älterer Herr beantwortet. »Kirschner.«
    Der alte Knacker, ausgerechnet! Wenn man nicht gesehen werden will, ist die Welt ein Mosaik aus bekannten Gesichtern. Schon hat sich Sidonie unter die Stehenden gemischt, entfernt sich, auf und ab gehend, wird trotzdem erkannt und begrüßt, mit Handkuß. Kirschner, alter Freund und Kollege ihres alten Freundes, freut sich über das Wiedersehen. Sidonie wahrt Haltung. Damit muß man rechnen.
    Das sterile Lächeln hat sich von der Schleuse zur Glastür verlagert, wo draußen der Omnibus vorgefahren ist. Jeder Passagier nimmt ein Frühstückspäckchen aus dem Selbstbedienungsgestell. Robert versucht sich bemerkbar zu machen, wird aber übersehen, versucht auf Gesprächsnähe heranzukommen, wird abgedrängt und von Nachdrängenden weitergeschoben in die Tiefe des Zubringers. Was sollte er auch sagen? Immerhin dürfen sie sich seit dem Sommerfest kennen. Flüchtig. Und der alte Knacker redet und redet.
    Wichtig ist jetzt, beim Umsteigen in die Maschine geschickt zu manövrieren. Der Omnibus hat zwei Ausgänge. Am besten sich knapp hinter ihnen halten. Wenn er vorausginge, müßte Robert sich umdrehen, was auffallen würde. Es klappt. An der Treppe hat er sie.
    »Hallo.«
    Sidonie nickt leicht; die Männer nicken einander zu. »Der halbe Club geht in die Luft«, sagt Robert. »Wieso?« fragt Kirschner.
    »Außer uns habe ich noch zwei Mitglieder gesehen.« Das war nicht gut, zudem nicht wahr, aber besser als gar nichts. Sidonie kann sich zu ihm umdrehen und fragen:
    »Fliegen Sie zu einem Turnier?«
    »Schön wär’s«, drängt sich Kirschner vor, und Robert ist wieder ausgeklammert. Wie ein Funkfeuer steht das nächste Lächeln bereit, Kirschner zieht den Kopf ein und schiebt Sidonie voraus in die Maschine. »Hier.«
    Der alte Knacker deutet auf den ersten freien Fensterplatz.
    »Ich sitze immer links«, wehrte Sidonie schlagfertig ab und geht weiter, »ich bin abergläubisch.«
    »Ich auch«, kann Robert sagen, nur weiter kann er nicht, kommt nicht an dem Professor vorbei, der wieder aus der Reihe herausgetreten ist und den Gang blockiert, bis Sidonie, die sich festgelegt hat, den nächsten linken Fensterplatz einnimmt. Sofort rückt er neben sie. Die Bemerkung »Nehmen wir die

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