Die Füchsin
Begrüßung.
Das Mondgesicht verschwand. Es entstand eine kurze Pause, man hörte Stimmen, ein polterndes, ein zerrendes Geräusch, dann tauchte das Gesicht wieder auf, und eine Strickleiter wurde über Bord geworfen.
»Ich warte erst hier auf mein Geld«, verkündete Thierry mit zusammengekniffenen Augen. »Ein verdammt weiter Weg, um von Bord zu fallen, vor allem, wenn man die Kehle durchgeschnitten hat.«
Daraufhin entstand eine Pause. Thierry verschränkte die Arme und setzte sich. Wieder verschwand das Gesicht, wieder redete es eine Weile mit erhobener, ungeduldiger Stimme, dann wurden aus einem zwei Gesichter, die zu ihnen herunterstarrten.
»Gekreuzigter Christus!« Thierrys Gutmütigkeit begann allmählich auszufransen. »Soll das die ganze Nacht dauern? Gleich rudere ich weg und lade meine Ware anderswo ab, was meint Ihr?«
»Also schon, ich komm' runter«, sagte der zweite Mann, schwang sich über die Reling des Schiffes und trat auf die schwingende Strickleiter. Nach den ersten paar Stufen blieb er stehen, kletterte nach kurzer Pause weiter nach unten, schätzte dann die Höhe ab und sprang in das kleine Boot. Es drohte zu kentern. Thierry hatte Mühe, es auszubalancieren.
»Vorsicht, Mylord«, sagte er in warnend erhobenem Ton, »sonst liegen wir alle im Wasser, und ich habe keine Lust zum Schwimmen.«
»Wenn ich deine Meinung hören will, lasse ich es dich wissen«, knurrte Warrin de Mortimer und richtete dann sein Interesse auf den Boden des Bootes und seinen bedrängten Passagier. Heulwen wandte den Kopf ab und kniff die Lider zusammen. »Warum trägt sie Männerkleider?« fragte er argwöhnisch.
Thierry zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Es war keine Reise für ein angenehmes Geplauder. Fragt sie doch selbst. Vielleicht liebt sie es und Ihr Gatte, solche Spiele zu treiben.«
Warrin richtete wieder die Augen auf ihn, und sein Zorn brannte hell und gefährlich. »Geh bloß nicht zu weit«, warnte er Thierry.
»Zahlt mir, was wir vereinbart haben, und ich lasse Euch in Frieden«, schlug Thierry vernünftigerweise vor; dazu streckte er Warrin die Hand entgegen.
Warrin fischte unter seinem Umhang und brachte eine lederne Börse zutage, schüttelte sie, und sie klimperte hell. Die Lippen verächtlich geschürzt, reichte er sie Thierry und achtete dabei darauf, daß sich ihre Finger nicht berührten.
Thierry beobachtete es mit zornigem Spott. »Was dagegen, wenn ich zähle?« fragte er grinsend, ohne auf de Mortimer zu achten, zupfte an dem Lederband und schüttelte die Münzen heraus auf seine Handfläche. »Jesus, aber für einen Mann im Exil seid ihr erstaunlich reich«, bemerkte er. »Oder jemand hat Euch … Jedenfalls, ich bin sehr zufrieden, es ist alles wie vereinbart.« Thierry ließ die Münzen wieder in das Säckchen fallen, und sein Lächeln war reine Schwefelsäure; wenn das Fischerboot nicht so leicht hätte kentern können, wäre de Mortimer längst mit seinem Dolch auf ihn losgegangen.
Warrin schluckte seinen Zorn hinunter und bückte sich, um Heulwen aus dem Boden des Bootes zu heben. Der kleine Kahn schwankte und drohte zu kippen. Heulwen hielt die Augen geschlossen, konnte aber nicht die Ohnmächtige spielen, denn als er ihre Finger berührte, zuckte sie vor Schmerzen zusammen. Thierry setzte sich wieder auf die Ruderbank und ruderte hinaus in den Fluss, während Warrin sich und seine Last vorsichtig die Strickleiter hinaufschleppte. »Was ist mit ihrem Mann?« rief er hinunter zu dem Angeviner.
»Der dürfte inzwischen die ganze Stadt nach ihr absuchen«, meinte Thierry.
»Er wird sie nicht finden«, sagte Warrin. Dabei hielt er inne auf der Leiter, um wieder Luft zu bekommen. »Nicht, bis ich fertig bin, und dann wird er froh sein, sterben zu dürfen.«
»Da wäre ich nicht so sicher«, entgegnete Thierry. »Nur noch ein letzter, guter Rat: Ihr habt nicht gewonnen, ehe Ihr nicht über seiner Leiche steht.«
Warrins Knöchel wurden weiß am Strick der Leiter. Er drückte die Stirn dagegen. »Hau ab jetzt«, zischte er durch die Zähne. »Schnell, solange du noch die Chance dazu hast.«
»Das spricht ein Mann der klaren Entscheidung.« Thierry grinste, war aber nicht im mindesten eingeschüchtert und zeigte einen spöttischen Gruß auf Warrins abgewandten Rücken, wie er die Leiter erklomm.
Oben auf der Werft taumelte ein Betrunkener herum und ging singend seines Weges. Eine Frau rief nach ihm, Warrin stieß einen heftigen Atemzug aus und beendete
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