Die Füchsin
Regenguß ins Gesicht.
»Vielleicht sollte ich jemanden zur Burg schicken?« fragte Thierry und nahm wieder ihren Arm.
»Nein, nein. Mir geht es gut«, versicherte sie ihm. »Ich werde nicht ohnmächtig und brauche auch kein Riechsalz.« Sein Griff verstärkte sich wie die Finger einer Riesenklaue, und seine Zähne blitzten wieder, weiß und wölfisch, bevor er ein Bein von hinten um das ihre hakte und sie hart auf dem nassen Stroh vor der Stalltür zu Boden gehen ließ.
Heulwen stieß einen Schrei der Überraschung aus und wehrte sich, aber Thierry, der fünfzehn Jahre im Kriegshandwerk trainiert war, erfahren im Kämpfen und von keinerlei Moralgefühlen behindert, auch nicht im Bezug auf ihre Weiblichkeit, band rasch und geschickt ihre um sich schlagenden Glieder fest, als wäre sie ein erlegtes Wild, das er auf den Transport vorbereitete. Es gelang ihr allerdings, ihn zu beißen, und sie bohrte ihre Zähne in den fleischigen Teil seiner Hand zwischen Hand und Armgelenk und kleinem Finger. Seine Haut platzte, und sie schmeckte sein Blut. Er stieß einen gedämpften Schmerzenslaut aus und drückte ihr mit der freien Hand gegen die Luftröhre, bis sie ihn keuchend loslassen mußte.
Jetzt stopfte er ihr einen Stoffetzen in den Mund und band ihn mit einem Streifen fest; dann setzte er sich zurück auf die Hacken, um sie zu betrachten und wieder Luft zu bekommen. Das Blut lief ihm über die Hand. Er tupfte die Wunde an einer Falte seines Umhangs ab. »Füchsin«, keuchte er, aber ohne Bosheit, und das Lächeln kam zurück auf sein Gesicht, als er das Ergebnis seiner Arbeit betrachtete und feststellte, daß sie es ihm besonders schwer gemacht hatte, weil sie Männerkleidung trug anstelle von zwei dicken, hinderlichen Röcken übereinander.
»Ich hab' mich bei Euch immer gefragt, wer die Hosen anhat!« erklärte er und lachte boshaft dazu. »Jetzt weiß ich es.«
Heulwen wand sich, wild vor Zorn und einer Angst, die nicht nur auf Instinkt beruhte, sondern auf durchaus bewussten Gründen. Sie war gefesselt wie eine Fliege in einem Spinnennetz, aber sie konnte nicht glauben, daß Thierry die Spinne war. Sein Appetit ging in eine andere Richtung.
Jetzt beugte er sich über sie, grinste hämisch über ihre wirkungslosen Befreiungsversuche, legte eine Hand auf den Gürtel an ihrer Taille, zog sie hoch, legte sie sich über die Schulter in der Art der Jäger und machte sich dann auf den Weg durch den dunklen, regentriefenden Obstgarten.
Er schwankte etwas beim Gehen, denn Heulwen war zwar schlank, aber keineswegs leicht. Sie hing ihm mit der Unterseite nach oben auf der Schulter und hatte Mühe zu atmen, einerseits wegen der verletzten Kehle und andererseits wegen des feuchten Knebels in ihrem Mund. Dennoch kam das Bewußtsein in dunklen, erstickenden Wellen zurück. Die nassen Zöpfe schlugen ihr um die Wangen. Einen Augenblick lang konnte sie Baumstämme sehen, die dunkler waren als der Himmel, und einen Streifen Licht von einem schlechtsitzenden Laden des Hauses, das sie gerade verlassen hatten.
Aus dem Gleichgewicht gebracht durch ihr Gewicht, taumelte Thierry und stieß gegen einen der Bäume. Eine Sintflut stürzte in Heulwens Nacken und riß sie aus dem Reich des Vergessenes. Thierry fluchte gutmütig. Sie fragte sich, was er dafür bekommen mochte, daß er das alles auf sich nahm. Adam bezahlte ihm den üblichen Lohn von zwölf Pence pro Tag und dreizehn, wenn sie unterwegs waren wie jetzt. Ein guter Lohn, aber ein Mann wie Thierry hatte offenbar den Blick auf eine ganz andere Summe Goldes gerichtet, da kam ihm das tägliche Silber zweifellos spärlich vor. Vermutlich lag der Grund auch darin, daß er spielte. Er war in vielen Dingen Ralph sehr ähnlich …
Wieder duckte er sich und rutschte auf einer moosigen Stufe aus, dann waren sie unten am Ufer des Flusses. Heulwen hörte das Wasser gegen den Stein klatschen und sah die Dunkelheit der Oberfläche und den Regen, der darauf prasselte, als er sie von seiner Schulter schwang und auf den schlüpfrigen Steintreppen der kleinen, privaten Anlegestelle des Kaufmanns absetzte.
»Mach bloß keinen Quatsch!« warnte er sie. »Wenn du dich zur Seite rollst, fällst du in den Fluss, und ich schwimme nicht in dem dreckigen Wasser, um dich herauszuziehen.« Er trat über sie und sprang rasch weg, als sie versuchte, eines seiner Beine festzuhalten. »Nein, nein«, sagte er und drohte ihr mit dem Zeigefinger, dazu schüttelte er den Kopf. »Du müsstest es besser wissen,
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