Die Füchsin
Zehenspitzen, um ihn auf die Wange zu küssen – eine bei Judith seltene Geste der Zuneigung, denn sie war von Natur aus alles andere als spontan.
»Kann ich zu ihr?«
Judith hatte zu ihrer Zeit oft genug die Regeln und Vorschriften ihres Standes verletzt; dennoch erschreckte sie seine Frage. Männer betraten normalerweise nicht die Gebärkammer, ehe es vorbei war. Es war verboten, ein Geheimnis, das die Frauen eifersüchtig bewahrten. »Adam …« begann sie und versuchte, das Nein so freundlich wie möglich auszudrücken, aber etwas in seiner Miene ließ sie innehalten, bevor sie auch nur ein Wort gesprochen hatte. Sie fühlte, daß er um ihr Jawort flehte, aber auch, daß es ihm egal war, ob sie es ihm gab oder nicht. Es war schließlich seine Burg, und sie konnte ihn nicht davon abhalten.
»Schau, sie hat natürlich Schmerzen. Wenn du dich zu sehr darüber aufregst, wartest du besser draußen.«
Adam nickte kurz. »Ich werde es schon schaffen«, sagte er.
Judith schenkte ihm den Hauch eines Lächelns. »Naja, du bist ja auch dabei gewesen, als es gemacht wurde«, sagte sie und verstand nicht, warum er sie dabei so merkwürdig und fragend anschaute.
Renard, der abgesehen von einem flüchtigen Kuß auf die Wange von seiner Mutter ignoriert wurde, ging an den offenen Kamin, blies sich auf die kalten Hände und bückte sich hinunter zur Hitze.
Dame Agatha war entsetzt, einen Mann zu sehen, der die Gebärkammer betrat, und hätte Adam sofort wieder hinausgeworfen, empört und mit hochgekrempelten Ärmeln, wenn Judith sie nicht zur Seite genommen und dringend auf sie eingeredet hätte.
»Adam!« Heulwen stieß einen Seufzer aus, warf sich in seine Arme und klammerte sich an ihn. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände, die Finger auf dem aufgelösten Haar, und küßte ihre nassen Augen, ihre Wangen, ihre Lippen und schmeckte dabei das Salz von Schweiß und Tränen. Die Schwellung des kommenden Babys war zwischen ihnen.
»Ich kann nicht bei dir bleiben, Liebste, aber ich bin hier auf der Burg«, sagte er mit belegter Stimme. »Judith sagt, daß alles gut geht.«
Sie vernahm die nervöse Ungewissheit in seiner Stimme, sah ihn einen Blick auf die beiden Frauen in der Ecke des Raums werfen und nickte.
»Das sagen sie mir auch, aber es ist kein Trost.«
Sie legte ihr Gesicht an seinen Umhang und bemerkte, daß er kalt und feucht war. »Schneit es schon?«
»Nieselregen.«
»Wie war die Hochzeitsfeier?«
Er knurrte. »Genau wie alle Hochzeitsfeiern. Ich habe furchtbare Kopfschmerzen wegen meiner Hemmungslosigkeit beim Trinken, und Renard hat ein paar Bisswunden, die seine Mutter hoffentlich nie zu sehen bekommt.«
Heulwen lachte durch die Tränen und umarmte ihn noch einmal. Ihre Last war plötzlich leichter geworden. »O Adam, was würde ich –« Sie brach ab und stieß einen Schrei aus und umklammerte ihn nicht aus Liebe, sondern aus Verzweiflung, als sich der Krampf wie eine Woge mit wilder Geschwindigkeit näherte und über ihr zusammenbrach, und einen Moment lang verlor er sie ganz an diese urzeitlichen, alles verzehrenden Schmerzen. Er biss sich auf die Lippe und war völlig hilflos, während sie sich an ihn klammerte.
»Sie kommen jetzt schneller hintereinander und sind stärker«, murmelte Dame Agatha zu Judith und war keineswegs davon überzeugt, daß Judith das Richtige getan hatte, als sie um Verständnis für Adam flehe. »Er kann jetzt nicht mehr hier bleiben. Es ist einfach nicht anständig.«
Die Schmerzen ließen nach. Heulwen drückte ihre Stirn an ihn und keuchte.
»Ich finde«, sagte Adam ihr leise ins Ohr, »daß jeder Mann, der bei essiggetränkten Schwämmen zusammenzuckt, einmal eine Weile in der Gebärkammer verbringen sollte.«
»Irrtum!« stieß sie hervor. »Man sollte ihn selbst das Baby austragen lassen.«
»Ich würde gern deine Stelle einnehmen, wenn ich könnte.«
»Und ich würde mich gern von dir eine Weile ablösen lassen … Oh!« Wieder klammerte sie sich an ihn mit einem Schrei, den sie nicht unterdrücken konnte.
»Heulwen!«
Dame Agatha ließ sich jetzt nicht mehr einschüchtern und warf sich zwischen die beiden, nahm jetzt Adams Platz ein. »Mylord, Ihr müßt jetzt den Raum verlassen!« sagte sie drängend, und ihre Stimme war alles andere als freundlich. »Ihr könnt hier nichts tun und steht uns nur im Weg! Wir geben Euch Bescheid, sooft Ihr das wünscht.«
Judith, die den Kummer und die Sorge auf seinem Gesicht sah, nahm seinen Arm und führte ihn mit
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