Die Füchsin
müssen, um das hohe Podium zu verlassen und die Treppe zu den Wohnungen darüber zu erklimmen. Dann, obwohl sie wußte, daß sie zurückkehren sollte, sobald sie ihre Blase entleert hatte, besiegte die Neugier die Vorsicht, und sie begann damit, diese mächtige Burg an den Grenzmarken zu ergründen, die einmal ihr Heim sein würde.
Einer der Räume war mit einem Nähtisch und zwei Web-Stühlen möbliert. Ein Hund schlief in einem Teich von Sonnenlicht nahe dem Fenster, aber er hob den Kopf und bellte, als er ihre Gegenwart fühlte.
Erschrocken davon, lief sie rasch hinaus und kam in eine kleine Wandkammer, die, wie sie wußte, in der kommenden Nacht für sie und ihre Amme bestimmt war. Drinnen roch es muffig, und man hatte überall getrockneten Lavendel ausgelegt, um den Geruch des feuchten Steins zu vertreiben.
Kurz dahinter brachte sie eine Wendeltreppe zum Schlafgemach des Grafen und der Gräfin; sie würde es eines Tages mit Renard teilen und selbst Gräfin sein, doch die Vorstellung war ihren kindlichen Gedanken noch allzu fern.
An der Wand lehnte ein teurer Sarazenenspiegel, und sie blieb davor halb ehrfürchtig, halb entzückt stehen. Sie hatte natürlich von solchen Dingen gehört, besaß sogar eine schlechte Nachahmung davon, die sie auf einem Jahrmarkt gekauft hatte, aber dieser hier war poliert und so klar, daß man jedes Detail ohne Verzerrung erkennen konnte. Es zeigte ihr ein Kind mit hüftlangem, blauschwarzem Haar, wellig und kräftig, und einem Kranz frischer Blumen darauf, der an mehreren Stellen festgesteckt war und sich immer wieder gegen die Nadeln wehrte. Es zeigte ihre weit auseinander stehenden grüngoldenen Augen, eine milchweiße Haut, ein Lächeln, das ein wenig entstellt war, weil ihr ein Vorderzahn fehlte, und einen schelmischen Ausdruck, der noch von ihrer Stupsnase unterstrichen war.
Sie drehte sich in einer Pirouette vor dem Spiegel, bewunderte ihren grünen Leinenunterrock und das rote Seidenkleid mit dem Gürtel aus goldener Seide und einer echten goldenen Spange. Ihr Vater hatte etwas traurig gelächelt über ihre hübsche Ausstattung, als er ihr vor der Feier eine Falte glatt zog, und mit einer vor Rührung rauen Stimme gesagt: »Kind, du siehst genauso aus wie deine Mutter.«
Sie hatte ihre Mutter nie gekannt, die zweite, französische Frau ihres Vaters, viel jünger als er, denn sie war an einer Fehlgeburt gestorben, nicht lange nach Eleanors Geburt. Ihr Körper war nicht mehr stark genug gewesen, um zu kämpfen. Papa war oft traurig, mehr noch in diesen Tagen, seitdem er von Warrins Tod gehört hatte.
Eleanor rümpfte ihre Nase im Spiegel. Sie hatte ihren wesentlich älteren Halbbruder eigentlich nie besonders gemocht. Er brachte ihr Geschenke mit und erwartete, daß sie darüber in Begeisterung ausbrach; abgesehen davon achtete er kaum auf sie. Auch Papa hatte keine Zeit für sie, wenn Warrin zu Hause war, und sagte ihr nur, sie solle spielen gehen oder ihre Amme suchen.
Ein plötzliches Geräusch ließ sie erschreckt den Atem anhalten und sich schuldbewusst vor dem Spiegel herumdrehen. Jetzt erst sah sie eine Frau in einem Stuhl mit hoher Lehne, die ein Baby im Arm hatte. Eleanor erkannte Renards Halbschwester, denn selbst im Dunkeln, wo sie saß, war ihr Haar leuchtend wie eine Flamme.
»Keine Angst, ich freß' dich nicht auf«, sagte Heulwen mit einem gütigen Lächeln, nahm den Säugling von ihrer Brust und bedeckte sich.
Eleanor ging auf Zehenspitzen zu dem Stuhl und konnte nicht widerstehen, dem Baby einen tastenden Finger auf das goldbraune, dünne Haar auf dem Kopf zu legen. »Wie heißt er?« fragte sie.
»Miles, nach seinem Urgroßvater.«
»Oh.«
Heulwen betrachtete das Kind. Die kleine Braut war hübsch auf ihre schelmische Weise und hatte keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem kürzlich verstorbenen Bruder, vielleicht abgesehen von einer Andeutung von Sturheit um das kleine, runde Kinn. »Möchtest du ihn einmal halten?«
Eleanors Gesicht strahlte. »Darf ich wirklich?«
Statt einer Antwort nahm Heulwen ihren Sohn, legte ihn in Eleanors Arme und zeigte ihr, wie man ein Baby hielt – nicht, daß er viel Unterstützung dazu nötig gehabt hätte. Er konnte sich inzwischen von allein aufsetzen und drehte häufig den Kopf, um zu sehen, was rings um ihn vor sich ging.
»Wenn ich mit Renard verheiratet bin, werde ich viele Kinder haben«, erklärte Eleanor ernst. »Wie viele Zähne hat er jetzt?«
»Zwei.« Heulwen legte ihre Hand auf den Mund, um ihr Lachen
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