Die Füchsin
schnalzte sie tadelnd mit der Zunge. »Adam, zieh dir etwas an, bevor du erfrierst, und lass mich deine Verletzung am Arm sehen. Sie muß zumindest mit Salbe behandelt werden.«
Er schaute verständnislos auf den schmalen Riß zwischen Handgelenk und Ellbogen, aus dem ein wenig Blut sickerte. »Das hab' ich mit dem Kerzenleuchter gemacht«, sagte er vage, »das war nicht Mortimers Schwert. Kümmere dich lieber erst um Heulwen. Er hat ihr brutal mit der Hand ins Gesicht geschlagen, bevor er gegangen ist.«
Judith betrachtete ihre Stieftochter oder das, was durch den Vorhang aus rotem Haar zu sehen war. Sie wimmerte jetzt leise, und Judith nahm an, daß der Schmerz der Ohrfeige von Warrin noch das geringste ihrer Leiden war.
»Adam, wenn du angezogen bist, wäre es vielleicht ratsam, daß du nach unten gehst und auf Guyon wartest«, sagte sie mit sanfterem Ton, und zu Heulwen: »Komm, Kind, beruhige dich. Es ist noch niemand vor Scham gestorben.« Sie küßte sie, und unter der Last ihres Blickes lockerte Adam schließlich die Umarmung und begann seine Kleidung zu suchen. Mit steinernem Gesicht hob die Zofe sein zerknittertes Hemd vom Boden auf und reichte es ihm auf Armeslänge. Er fühlte sich unangenehm in dem bedrückenden Schweigen, zog es mühsam an und kämpfte danach mit Hose, Strümpfen und Tunika.
»Ich nehme an«, sagte Judith etwas erschöpft, »ich hätte das voraussehen sollen.« Und dann mit einem zornigen, verzweifelten Unterton: »Wenn ihr beide einander so begehrt, warum habt ihr dann nicht in Gottes Namen mit mir oder Guyon gesprochen?«
Adam stieg in einen der Stiefel, dann suchte er, bis er den zweiten gefunden hatte, begraben unter einem Haufen Bettzeug. »Ich hatte es für heute nachmittag vor, aber … In diesem Fall kam der Wagen vor dem Ochsen.«
»Nicht nur der Wagen, sondern auch eine ganze Ladung von Fußangeln!« sagte Judith spitz, während er den anderen Stiefel anzog und sich anschickte, den Gürtel zu schließen.
Renard kam zurück mit der Flasche Whisky. »Papa ist eben auf den Hof geritten«, verkündete er fröhlich. »Viel Glück, Adam. Ich weiß nicht, was er mit dir anfangen wird, wenn er seinen Schild in diesem Zustand sieht.«
»Renard!« Judiths Ton war hart und tadelnd.
Ihr Sohn gab die Flasche an Helgund und kam ans Bett, wo er sich geschickt auf die Absätze hockte und unter das Lager schaute – und unter Heulwens offenes Haar. »Komm schon«, beruhigte er sie. »Nicht, daß ich so etwas unbedingt hätte erleben wollen, aber de Mortimer hat schon so lange einen Tritt in den Hintern verdient für seine Arroganz, daß es mich gefreut hat, es endlich zu sehen, als es soweit war. Ich hätte viel lieber Adam zum Schwager als diesen eingebildeten Kerl mit seinem Erbsenhirn … Schon gut, Mama, ich gehe ja schon.« Mit einem Grinsen, das mehr als nur ein wenig boshaft war, verschwand er durch die Tür.
»Du gehst auch besser nach unten«, sagte Judith mit verkniffenen Lippen zu Adam.
Er schluckte und nickte, doch seine Füße trugen ihn nicht zur Tür, sondern zu Heulwen, vor der er stehen blieb und dann in die Knie sank. Er nahm ihre Hände zwischen die seinen, und dabei fielen ihm wieder die beiden kleinen Leberflecken an ihrem Handgelenk auf. »Heulwen, schau mich an«, bettelte er sie.
Sie schüttelte den Kopf. Er ließ eine ihrer Hände los und teilte damit ihre Strähnen, daß er ihr Gesicht sehen konnte. Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke, und die ihren waren voller Jammer, bevor sie sie wieder verbarg, indem sie den Kopf auf die Seite drehte.
»Heulwen, ich bitte dich …«
»Adam muß jetzt gehen«, sagte Judith scharf. »Siehst du nicht, daß sie nicht einmal mit sich selbst fertig wird, geschweige mit der Bürde, die du ihr aufladen möchtest?«
Er biss sich auf die Unterlippe und erhob sich, stand dann gerade da und wünschte nichts sehnlicher, als die Dinge in Ordnung zu bringen, wußte aber zugleich, daß das, was nach seinen Gesetzen das einzig Richtige war, nicht unbedingt auch für Heulwen gelten mußte.
Das Drahtseil schwankte in einem scharfen, gefährlichen Sturm …
Z WÖLFTES K APITEL
Guyon schaute über das Damebrett hinweg auf den jungen Mann, der ihm gegenübersaß, und unterdrückte mit Mühe das Bedürfnis, buchstäblich Hand an ihn zu legen und ihn aus dem Haus zu werfen. Es war eine Reaktion aus dem Gefühl heraus. Adam de Lacey sah seinem Vater manchmal so ähnlich, daß Guyon dazu neigte, zu vergessen, daß die
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