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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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mit einem breiten Lächeln und einem zufriedenen Grunzen.
    Die junge Medizinerin musterte die
Szene kritisch. „Wir sollten ihn wirklich zur Notaufnahme bringen. Vielleicht
können Sie ihm zeigen, wie der aufrechte Gang funktioniert?“
    Randori nickte, löste sich von
Caravan, der hingebungsvoll in ihren rotbraunen Locken wühlte, und stand
vorsichtig auf. Sie nahm seine Hand und zog ihn zu sich nach oben. „Ich möchte,
dass du versuchst aufzustehen. Aufstehen. Du sollst a u f s t e h e n.“
    Er verfolgte ihre Bewegungen,
Falten der Konzentration auf seiner Stirn. „Aufstehen“, sagte er dann mit
derselben Betonung. Es klang fast wie ein Echo ihrer Stimme. „Ich möchte, dass
du versuchst aufzustehen.“
    Randori schnappte nach Luft. „Er
kann sprechen!“ Sie grinste und hatte einen ungewohnten Anfall mütterlicher
Gefühle. Als er sich auf die Füße erhob und seinen ersten Schritt tat, hätte
sie ihn am liebsten adoptiert. „Ich sollte meine Hormone überprüfen lassen“, murmelte
sie und fing ihn auf, als er umkippte.
    Sie stützte ihn, während sie sich
auf den Weg zum Flieger machten. Der schwankende Tangboden war nicht der beste
Untergrund, um gehen zu lernen. Es fühlte sich an, als würde man auf einem
Trampolin herumstolpern. Andererseits konnte Caravan hier so oft auf die Nase
fallen, wie er wollte, ohne sich wehzutun. Nach einer anstrengenden halben
Stunde stiegen sie in die wartende Maschine. Caravan sträubte sich kaum.
    Den Rückweg verbrachten sie damit,
sprechen zu lernen. „Hose. Eine Hose. Die Hose ist schwarz, das Shirt ist blau“,
sagte Randori. Caravan wiederholte die Worte, während er zufrieden an seiner
neuen Kleidung herumzupfte. Er lernte erstaunlich schnell und schien keine
Vokabel zu vergessen, die man ihm vorsagte. Die Ärztin bot unsicher als
Erklärung an, dass er sich nur an bereits vorhandenes Wissen zu erinnern
brauchte. Dennoch wirkte die Geschwindigkeit, mit der er den Wortschatz in sich
aufnahm, ein bisschen unheimlich. Randori hoffte, dass sie von den Spezialisten
auf der Krankenstation eine eindeutige Diagnose bekommen würde.
     
    Die Notaufnahme 95.3 lag in einem
Außenarm der Arche, der weit in den Weltraum hinausragte und von allen Seiten
anzufliegen war. Randoris Pilot steuerte auf die Landeplattform zu und setzte
die Maschine herunter. Sie wurden mechanisch ruckelnd in den Hangar hineingezogen,
die hohen Wände der Eingangshalle umschlossen den Flieger … und plötzlich
schien Caravan völlig den Verstand zu verlieren. Eben noch hatte er fehlerfrei
die gesamte Inneneinrichtung aufgezählt, nun schlug er wild um sich, als würde
er gegen Gespenster kämpfen. Sein Atem ging keuchend.
    Randori sprang auf, doch bevor sie
ihn erreichen konnte, lag er schon zitternd am Boden. Er war wieder in den
Zustand zurückgefallen, in dem sie ihn auf der Insel vorgefunden hatte. Schützend
hatte er das Gesicht zwischen den Armen versteckt und gab leise, klägliche
Laute von sich.
    „Wir brauchen sofort einen
Spezialisten“, stotterte die junge Gildefrau nervös. „Anscheinend ist der Fall
schwerer, als ich dachte. Er scheint Wahnvorstellungen zu haben.“
    Randori nickte kurz. Sie zog den
Matrosen auf die Füße und sprach beruhigend auf ihn ein. Caravan vergrub sein
Gesicht in ihrer Schulter, während sie ihn aus der Tür führte. Ab und zu
schaute er auf, zuckte zusammen und umklammerte sie noch fester. Sie waren
beide schweißgebadet, als sie endlich ankamen.
    Die Arzthelferin am Empfang warf
nur einen Blick auf Caravans Zustand und ließ ihn sofort in die Diagnostik
bringen. Randori hatte ihre Ankunft vorher angekündigt, und der Einfluss der
Kapitänin hatte ihnen eine diskrete Sonderbehandlung gesichert. Nur
Chefmedizinerin 95.3 und ihr Assistent erwarteten sie. Je weniger Leute Bescheid
wussten, desto besser.
    Randori hielt Caravans Hand,
während die Untersuchungen begannen. Der Matrose ließ die Prozedur jetzt erstaunlich
gelassen über sich ergehen. Er schien erschöpft, emotional ausgelaugt. Seine
Panik hatte nachgelassen, sowie sie in den medizinischen Trakt gekommen waren. Nur
seine Augen folgten einer unsichtbaren Bewegung in der Luft. Er griff danach
und schaute anschließend erstaunt auf seine leeren Hände. „Kein Weiß“, stellte
er fest.
    „Was zur Hölle ist mit ihm los?“,
fragte Randori.
    Chefärztin 95.3 drehte sich zu ihr
um. „Das ist die einzige Frage, die wir ohne Schwierigkeiten beantworten
können. Er hat kein Implantat

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