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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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politischen Anschauungsweise und dem reichen Nachlasse nicht recht verständlich. Mr. Sharp besaß aber zu viel geschäftlichen Scharfblick, um den höheren Zusammenhang zwischen den Anforderungen des Vertreters der germanischen Race im Allgemeinen und denen des Professor Schultze im Besonderen bezüglich der Beerbung der Begum zu durchschauen. Beide erschienen ihm übrigens von nahezu gleichem Werthe.
    Ein Zweifel hierüber war ja nicht wohl möglich. So erniedrigend es auch für einen akademischen Lehrer der Universität Jena sein mußte, zu Leuten aus untergeordneter Menschenrace in verwandtschaftlichen Beziehungen zu stehen, so lag es doch auf der Hand, daß diesem unvergleichlichen menschlichen Producte etwas französisches Blut, wenigstens mütterlicherseits, beigemischt war. Immerhin handelte es sich hier nur um eine Verwandtschaft in zweiter Linie gegenüber der Abstammung des Doctor Sarrasin, welche natürlich auch nur einen rechtlich untergeordneten Anspruch auf jene Erbschaft bedingte. Der Sollicitor erkannte jedoch schnell die Möglichkeit, dieselbe mit einiger Aussicht auf Erfolg anhängig zu machen und in dieser Möglichkeit auch noch weiter die günstige Lage der Verhältnisse für den Vortheil der Firma Billows, Green und Sharp, nämlich die Gelegenheit, aus dieser jetzt schönen Affaire Langevol eine ganz außerordentlich ertragsreiche zu machen, so etwa eine neue Inscenirung von Boz Dickens »Jarndyce gegen Jarndyce«. Vor den Augen des Mannes der Gesetze breitete sich schon ein ganzer Horizont von Stempelpapier, Acten und Schriftstücken aller Art aus. Oder, was noch mehr werth schien, er dachte im Interesse seiner Clienten an ein durch ihn, Sharp, herbeizuführendes Compromiß, das ihm fast ebensoviel Ehre als Vortheil bringen mußte.
    Inzwischen setzte er Herrn Schultze die Ansprüche des Doctor Sarrasin auseinander, brachte die Belege für dieselben bei und deutete dabei mit darauf hin, daß, wenn Billows, Green und Sharp es in die Hand nähmen die Rechtsansprüche des Professors – »Ansprüche übrigens, mein lieber Herr, welche sich einem ordentlichen Processe gegenüber wohl schwerlich als stichhaltig erweisen dürften« – die er aus seiner Verwandtschaft mit dem Doctor herleite, zu vertheidigen, er darauf rechne, daß der allgemein anerkannte Gerechtigkeitssinn der Deutschen es auch Billows, Green und Sharp nicht verübeln werde, wenn sie, der Erkenntlichkeit des Professors gewiß, jenen anderen, begründeteren Ansprüchen gegenüber seine Sache zu führen versuchten.
    Der Professor war ein viel zu offener Kopf, um die Logik in der Darlegung des Geschäftsmannes nicht zu begreifen. Er bemühte sich, ihn nach dieser Seite hin zu beruhigen, ohne sich, bezüglich der »Erkenntlichkeit«, gerade bestimmt zu binden. Mr. Sharp bat ihn nun in höflichster Form um die Erlaubniß, seine Angelegenheit nach eigenem Ermessen prüfen zu dürfen, und geleitete ihn mit rücksichtsvollster Artigkeit wieder zur Thür. Jetzt war bei ihm keine Rede mehr von den nur knapp zugemessenen Minuten, mit denen er vorher so sehr geizte!
    Herr Schultze zog sich zwar mit der Ueberzeugung zurück, daß er wohl keinen vollberechtigten Anspruch auf die Erbschaft der Begum habe, aber auch mit der anderen, daß ein Kampf zwischen der angelsächsischen und lateinischen Race, ganz abgesehen von seiner Verdienstlichkeit an sich, wenn er nur richtig geführt würde, nicht anders als zum Vortheil der ersteren ausschlagen könne.
    Zunächst erschien es nun von Wichtigkeit, die Meinung des Doctor Sarrasin kennen zu lernen. Eine unverzüglich nach Brighton abgelassene Depesche brachte den französischen Gelehrten schon gegen fünf Uhr in das Cabinet des Sollicitors.
    Doctor Sarrasin vernahm mit einer Ruhe, über welche Mr. Sharp nicht wenig erstaunte, den eingetretenen Zwischenfall. Auf die ersten Worte des Mr. Sharp hin erklärte er mit aller Offenheit, daß er sich erinnere, in seiner Familie davon reden gehört zu haben, wie eine, von einer reichen vornehmen Dame erzogene Großtante von ihm mit jener ausgewandert sei und sich in Deutschland verheirathet haben solle. Im Uebrigen war ihm weder der Name, noch der genaue Grad der Verwandtschaft dieser Großtante bekannt.
    Mr. Sharp griff schon nach seinen sorgfältig katalogisirten Actenstücken, die er dem Doctor zur Einsicht vorlegte.
    Es erwuchs hiermit – Mr. Sharp verheimlichte das nicht – Material zu einem Processe, und Processe dieser Art ziehen sich gern in die Länge.

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