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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Augenblick in geheimnißvolle Tiefen versinken.
    Längs der Seiten der Berge laufen hier mit Asche und Kohlenstückchen macadamisirte Straßen hin. Unter gelblichem Buschwerk schillern kleine Schlackenhaufen in allen Farben des Prismas wie Basiliskenaugen hervor. Da und dort gähnt der von Regengüssen zerrissene, von Brombeersträuchern halbverdeckte Mund eines verlassenen Schachtes, wie der Krater eines erloschenen Vulkans. Die Luft ist mit Rauch geschwängert und lastet wie ein schwerer Mantel auf der Erde. Keine Vögel flattern lustig dahin, kein Insekt schwärmt im Sonnenschein und seit Menschengedenken hat man einen Schmetterling hier nicht gesehen.
    Falsche Schweiz! An ihren nördlichen Grenzen, da wo die Ausläufer der Berge sich in der Ebene verlieren, liegt zwischen zwei mageren Hügelketten das Gebiet, welches bis 1871 die »Rothe Wüste« hieß von der Farbe des eisenoxydreichen Bodens und welche jetzt »Stahlfeld« genannt wird.
    Denke man sich eine fünf bis sechs Quadratmeilen große Fläche mit sandigem, dann und wann mit Gerölle untermischtem Boden, und so dürr und trostlos, wie etwa das vertrocknete Bett eines Meeres der Vorzeit. Um dieses Land zu erwecken, ihm Leben und Bewegung zu verleihen, hat die Natur so gut wie nichts gethan; dafür aber hat die Menschenhand mit einer Energie ohnegleichen eingegriffen.
    Auf der nackten steinichten Ebene sind binnen fünf Jahren achtzehn Arbeiterdörfer mit kleinen, gleichmäßig grauen, aus Chicago fix und fertig hierher geschafften Häusern emporgewachsen, die eine Schaar kräftiger Arbeiter bergen.
    Im Mittelpunkt dieser Ansiedlungen, am Fuße der Coal-Butts, jener unerschöpflichen Steinkohlen-Gebirge, erhebt sich eine Anhäufung regelmäßiger Gebäude mit symmetrisch angeordneten Fenstern, bedeckt mit rothen Dächern und überragt von einem Wald cylindrischer Schornsteine, welche aus tausend Schlünden rußige Wolken aushauchen. Der Himmel erscheint nur wie hinter einem schwarzen Vorhang, den manchmal röthliche Blitze durchzucken. Der Wind trägt von hier ein rollendes Geräusch weiter, das etwa entferntem Donner oder dem Rauschen der hohlen See vergleichbar ist.
    Alles dieses zusammen ist »Stahlstadt«, die deutsche Stadt, das persönliche Besitzthum des Herrn Schultze, des Ex-Professors der Chemie von Jena, der durch die Millionen der Begum zum größten Eisen-Industriellen und speciell zum berühmtesten Kanonengießer der ganzen Erde geworden ist.
    Er fertigt solche von jeder Form und jedem Kaliber, mit glatter oder gezogener Seele, mit beweglicher oder fester Culasse, für Rußland und die Türkei, für Rumänien und Japan, vor Allem aber für Deutschland. Dank der Macht eines enormen Capitals, erwuchs hier ein Riesen-Etablissement, eine wirkliche Stadt und gleichzeitig Musterwerkstatt wie durch Zauberschlag aus der Erde. Dreißigtausend Arbeiter, meist geborne Deutsche, siedelten sich rings um dieselbe an und bildeten dadurch deren Vorstädte. Binnen wenigen Monaten schon eroberten sich die Erzeugnisse dieser Anstalt durch ihre allseitigen Vorzüge die ausgedehnteste Anerkennung.
    Professor Schultze gräbt das Eisenerz und die Steinkohle aus seinen eigenen Bergwerken. Auf Ort und Stelle wandelt er das erstere in Gußstahl um. Auf Ort und Stelle macht er daraus Kanonen.
    Was keiner seiner Concurrenten auszuführen vermöchte, das war ihm ein Leichtes. In Frankreich gewinnt man Stahlbarren von vierzigtausend Kilogramm; in England hat man eine schmiedeeiserne Kanone von hundert Tonnen Gewicht hergestellt; Krupp in Essen liefert Gußstahlblöcke von fünfhunderttausend Kilogramm. Herr Schultze kennt keine Grenzen; verlangt von ihm eine Kanone von ganz beliebigem Gewicht und der außergewöhnlichsten Wirkung, er wird sie herstellen, glänzend wie ein Geldstück aus der Münze und in der bedungenen Frist.
    Aber – er läßt sich auch dafür bezahlen! Es scheint, als hätten die zweihundertfünfzig Millionen von 1871 nur seinen Appetit gereizt.
    In der Kanonen-Industrie, wie überhaupt in allen anderen Dingen, steht man groß da, wenn man das kann, was die Anderen nicht vermögen. Hier verdient auch hervorgehoben zu werden, nicht nur, daß Herrn Schultzes Kanonen früher nie dagewesene Dimensionen erreichten, sondern daß sie, wenn durch den Gebrauch bei ihnen von einer Abnützung überhaupt die Rede sein konnte, doch jedenfalls niemals zersprangen. Das Material von Stahlstadt scheint ganz besondere Eigenschaften zu besitzen. Man erzählt sich über

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