Die fünfte Kirche
dann bin ich auf eine Seite gekommen, die Kali Drei heißt.»
«Du meinst, wie …»
«Wie die indische Göttin des Todes und der Zerstörung.
Die
Kali.» Eirion machte eine Pause. «Und da habe ich sie gefunden.»
Sie gefunden?
Aus irgendeinem Grund dachte Jane an Barbara Buckingham. Ein Schatten lief durch den Raum, sie erschrak und setzte sich aufrecht hin.
Es war Ethel. Nur Ethel.
Jane sagte: «Wen?»
«Deine Mom», sagte Eirion. «Merrily Watkins, Beraterin für spirituelle Grenzfragen der Diözese Hereford, Großbritannien.»
«Wa–»
«Sie erscheint auf Kali Drei beinahe sofort. Da ist ein Foto von ihr. Schwarzweiß – sah aus wie ein Fahndungsfoto. Und dann eine Biographie mit Geburtsdatum, Einzelheiten über die Gemeinde in Liverpool, wo sie Vikarin war, Datum ihrer Einführung als Pfarramtsvertreterin in Ledwardine, Herefordshire. Ach, und: Tochter: Jane, Geburtsdatum …»
«Foto?», fragte Jane tapfer.
«Nein. Aber es gibt ein Foto von deinem Vater.»
«Was?»
«Auch schwarzweiß. Bisschen unscharf, als wär’s ein vergrößerter Ausschnitt aus einem Gruppenbild. Sean Barrow. Geburtsdatum. Datum des … Todes. Und der Ort. Also, da steht die genaue Stelle, die Brücke, die nächste Ausfahrt. Und die Umstände. Alles,was Gerry bei
Livenight
gesagt hat, und noch mehr. Da steht: ‹Sean und Merrily hatten sich einander entfremdet, was erklärt, warum sie anschließend bei der Anrede Mrs. geblieben ist, aber ihren Mädchennamen wieder angenommen hat.› Da steht, warte mal, das kann man nicht so gut lesen: ‹Sie ist immer noch verletzlich … hm … der Tod ihres Mannes, ohne den es sicher schwieriger geworden wäre, für die Kirche tätig zu werden.›»
Jane explodierte. «Wer
sind
diese Arschlöcher?»
«Ich weiß es nicht. Da stehen eine ganze Menge Namen, aber das sind wahrscheinlich nicht die richtigen. Es würde wahrscheinlich ewig dauern, rauszufinden, wer die sind – wenn es überhaupt möglich ist. Es könnten richtige Okkultisten sein oder einfach bloß ein paar Schüler. Das ist das Problem mit dem Internet, man kann nichts und niemandem trauen.»
«Aber …
warum
? Wer sollte denn –?»
«Eine Sache macht mir richtig Angst. Ganz unten steht eine Zeile, da heißt es: ‹Der Gebrauch des Wortes Grenzfragen ist der jüngste Versuch der Kirche, Exorzismus von negativen Assoziationen zu befreien. Dass eine Frau diese Aufgabe übernimmt, vor allem eine, die einigermaßen jung und attraktiv ist, soll verschleiern, dass es sich dabei um ein repressives metaphysisches System handelt. Diese Frau muss als Feind betrachtet werden.›»
Jane wurde blass. «Mom?»
«Und darunter sind lauter merkwürdige Symbole, Runen oder so – ich hab keine Ahnung, wie Runen aussehen. Und dann – das ist echt nicht lustig – steht da: ‹Jeder, der möchte, kann Merrily Watkins in der Sendung
Livenight
sehen.› Dann kommt das Datum und dass die Sendung live aus den Midlands-Studios übertragen wird, direkt an der M 5. Das ist zwar jetzt nicht mehr aktuell, aber offensichtlich stand es ja vorher schon da. Es heißt auch, jeder, der weitere Informationen haben will, kann sie bekommen, und zwar von … und dann folgen eine Menge Zahlenund Kringel, die für mich überhaupt keinen Sinn ergeben; ich glaub aber nicht, dass es eine andere Website ist, eher ein Code oder so … Jane?»
«Was?» Ein Flüstern.
«Es tut mir leid, aber das musste ich dir doch sagen.»
«Irene … was soll ich denn jetzt machen?»
«Ich weiß auch nicht. Was da passiert ist … was für ein böser Zufall. Ich meine, daran glaubt doch keiner, oder?»
«
Du
schon.»
«Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich bin schließlich nur ein bigotter walisischer Fundamentalist.»
«Werden da noch mehr Leute namentlich genannt, außer Mom?»
«Wahrscheinlich. Danach hab ich, ehrlich gesagt, nicht geguckt. Was ist, wenn da ’ne ganze Menge Leute genannt werden, mit ihren Biographien und so, und dann stellen wir fest, dass sie alle gerade gestorben sind oder so. Shit, so soll es doch laufen, oder? Es soll einen verfolgen.»
«Du meinst, wie ein großer Fluch? Menschen im ganzen Land … auf der ganzen Welt … sollen mitmachen, sich auf Mom, den Feind, konzentrieren, um sie zu erschrecken. Klar, wir wissen beide, dass sie scheiße war in der Sendung. Aber heute Abend im Fernsehen war sie gut, oder? Geradezu cool. Vielleicht waren das gar nicht nur die Nerven an dem Abend, vielleicht waren
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