Die fünfte Kirche
Mariannes Exorzismus erzählte.
Gomer nickte langsam. Er legte eine Reihe Bierdeckel auf der Tischplatte aus – und mit ihnen schien Merrilys Dilemma immer klarer zu werden.
«Da ham Sie ’n Problem, junge Frau. Die Frage is, auf welcher Seite stehn Sie, nich?»
«Ja.» Merrily zündete sich eine Zigarette an. Sie hatte ihre nasse Jacke ausgezogen, den Schal aber anbehalten. Sie sah immer noch vor sich, wie Robin Thorogood ganz allein vor der Menge gestanden hatte, ohne irgendwas Hexenartiges zu tragen oder Ellis’ Gerede vom Teufel mit heidnischen Sprüchen zu kontern. Es war möglich, dass er das gemacht hatte, um möglichst normal zu erscheinen – aber es hatte
zu
normal gewirkt, um simuliert zu sein.
«Was wolln Sie jetzt machen, Frau Pfarrer?»
«Gomer, wie konnten Judith Prosser und die anderen Frauen einfach da sitzen und zusehen? Glauben sie Ellis das denn wirklich alles?»
«Wie gesagt, hier geht’s ums Zusammenhalten. Ellis hat den richtigen Leuten geholfen. Judy und Gareth mit ihrem Jungen. Und wer weiß, was er sonst noch gemacht hat.»
«Oh mein Gott.»
«Frau Pfarrer?»
Merrily trank den restlichen Whiskey in einem Zug aus.
«Menna», flüsterte sie.
«Menna …»
Robin schaltete die Außenlampe an. Es regnete nicht mehr, aber es war windiger geworden. Drüben in der Scheune quietschte rhythmisch eine Metalltür; es klang wie ein Segelboot auf dem Meer, und Robin wünschte, er und Betty wären allein, und zwar weit draußen auf einem fernen Ozean.
Immer noch nackt bis zur Taille, stand er auf der Türschwelle und sah ihr Auto neben einem der Wohnmobile stehen. Sie stieg aus und trat in eine Pfütze. Der ganze Hof bestand im Moment aus Pfützen.
Es schien ihr gleichgültig zu sein, wie nass ihre Füße waren. Ihre Haare ringelten sich von der Feuchtigkeit.
Oh Gott, wie er diese Frau liebte. Er versuchte, ihr seine Gefühle hinüberzuschicken.
Ich nehme dich an meine Hand, mein Herz und meinen Geist, beim Untergang der Sonne und beim Aufgang der Sterne …
Sie stand einen Moment lang still und betrachtete all die Autos auf dem Hof, die Wohnmobile.
Dann sah sie ihn.
Er ging auf sie zu. Sie rührte sich immer noch nicht.
«Bets, ich …»
Er blieb ein paar Meter vor ihr stehen. Sein Nacken fühlte sich an, als brenne er.
«Bets, ich konnte sie nicht aufhalten. Entweder sie wären gekommen oder … oder alle möglichen Leute, die wir nicht kennen. Es ist alles rausgekommen. Du kannst es dir nicht vorstellen … es war überall im Internet. Wir haben Faxe bekommen von Leuten, die uns hassen, und von Leuten, die schreiben, sie stehen hinteruns – man hat den Eindruck, diese Sache führt zu einer religiösen Spaltung im ganzen Land.»
Endlich sagte Betty etwas, mit dieser matten Stimme.
«Wer sind die?»
«Na ja … George und Vivvie und … und Alexandra. Und Stuart und Mona Osman, die wir mal bei einem … bei einem Sabbat irgendwo kennengelernt haben. Und Max und Bella … na ja, Max ist zwar ein besserwisserisches Arschloch, aber wenn’s drauf ankommt, ist er o. k. Glaub ich. Und noch ein paar andere. Bets, es tut mir leid. Wenn du doch bloß mal angerufen hättest …»
Ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos, und das machte ihm wirklich Angst. Warum rastete sie nicht aus, warum sagte sie nicht, was für ein Riesenidiot er war und dass er das Ganze gefälligst beenden sollte?
«Sieh mal, wir wollten doch an Imbolg immer einen Hexensabbat machen. Hatten wir doch gesagt. Dass wir die Kirche mit Lichtern wieder zum Leben erwecken wollen? Den Frühling willkommen heißen mit einem großen Feuer? Vielleicht … vielleicht war es Schicksal, dass es jetzt so gekommen ist. Vielleicht hätten wir gar nichts dagegen machen können. Als sollte es so sein – nur viel bedeutungsvoller, als wir es uns vorgestellt haben.»
Warum klang das alles so hohl? Warum trat sie einen Schritt zurück, weg von ihm?
Eine Pfütze spritzte auf. Ihre Autoschlüssel? Sie hatte die Autoschlüssel fallen lassen. Robin lief hin und tauchte seine Hand und den halben Unterarm in die schwarze, kalte Pfütze, um nach dem Schlüssel zu suchen.
«Weißt du, Ellis war hier, mit seinen Wiedergeburtsfreunden. Wahrscheinlich kommen sie morgen wieder – mit noch mehr Leuten. Es war richtig bedrohlich. Du und ich, wir hätten das allein nicht hingekriegt, glaub mir.»
Er hasste sich selbst für diese offensichtliche Lüge, aber wassollte er denn sagen? Er fischte die
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