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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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draußen auf dem Land sah man das nicht so häufig. Aber Marianne machte kein Geheimnis daraus, wie viel sie darum geben würde, wieder zurück in die Stadt zu ziehen.
    «Ich hab dich seit Tagen nicht gesehen, Robin.»
    «Ja   … viel zu tun. Der Umzug und so.»
    Er hatte sie zuletzt gesehen, als er mal allein mit einer Fuhre hergekommen war und im
Lion
schnell etwas gegessen hatte. Sie schien geradezu begeistert zu sein, dass er herzog, mit oder ohne Frau.
«Wenn du irgendwas über den Ort wissen willst, kannst du mich jederzeit fragen. Am besten mittwochs, dann ist Greg in Hereford auf dem Markt.»
    Alles klar.
    «Ist dir schon langweilig? Ich hab dich gewarnt.»
    Sie war Ende dreißig, und die Ernüchterung nistete sich langsam in den Falten um ihren Mund ein.
    Robin sagte: «Ich, äh   … ich schätze, ich mag es einfach, nachts draußen zu sein.»
    «Robin, Schatz», sagte sie, «das ist nicht die Nacht, das ist einfach nur verdammte Dunkelheit.»
    Sie lachte gackernd. Er lächelte. «Du findest es hier also immer noch nicht so toll?»
    «Hundert Punkte!»
    Ihre Stimme war zu laut. Sie kam auf ihn zu. Er konnte riechen, dass sie getrunken hatte. Weniger als einen Schritt von ihm entfernt blieb sie stehen. Es war weit und breit niemand zu sehen. Wäre er doch nur unten an der Straße umgekehrt.
    «So sehen meine freien Abende aus, ist dir das klar? Wir müssen
arbeiten
, jeden Mittag und jeden verdammten Abend der Woche muss die Kneipe auf haben. Und wir können nicht beide gleichzeitig freinehmen, weil wir’s uns nicht leisten können, jemanden einzustellen – und wenn, würden wir die ganze Zeit fürchten, dass sich derjenige an der Kasse vergreift.»
    «Ach, komm, Marianne   …»
    «Die hassen uns hier alle. Wir werden immer Außenseiter bleiben.»
    «Niemand hasst dich.»
    «Und so sucht sich jeder selbst seinen Spaß. Greg lässt die Sau raus, wenn er mittwochs zum Markt fährt. Und ich stehe einfach auf der Straße und warte darauf, dass ein schöner Mann vorbeikommt, der nicht nach Schaf stinkt.»
    «Marianne, ich glaube   –»
    «Oh nein, ich hab ja ganz vergessen – am Samstag gehe ich zu der Beerdigung. Weil das dipolmatisch ist, äh, diplomatisch, Greg hat gesagt, das wäre diplomatisch. Ich bin betrunken, Robin.» Sie streckte ihre Arme aus und hielt sich an seiner Brust fest. «Ich finde dich unheimlich attraktiv. Ich hab viel über dich nachgedacht. Du bist anders, nicht?»
    «Ich bin Amerikaner, das ist alles. Sonst bin ich auch nur ein normaler   –»
    «Ach, jetzt tu bloß nicht so schüchtern. Ich sag dir was   …» Sie rieb mit ihren Händen über seine Brust und seinen Bauch. «Du darfst mich küssen, du Amerikaner. Betrachte es als Entwicklungshilfe für die Dritte Welt. Denn wenn das hier nicht die Dritte Welt ist   …»
    «Ähm, also, vielleicht bin ich altmodisch», Robin löste vorsichtig ihre Hände, «aber ich glaube, das wäre nicht so klug.»
    «Na ja, wenn uns jemand beobachten würde   …» Mariannes Stimme wurde lauter. «Wenn irgendjemand hinter seinen verdammtenGardinen sitzt und uns beobachtet,
dann kann er sich selber ficken

    Robin geriet in Panik. Genau mit dieser Einstellung wollte er überhaupt nichts zu tun haben. Er wich so schnell zurück, dass Marianne gegen ihn kippte; sie griff in die Luft und fiel auf den Boden.
    Wo sie blieb, auf allen vieren, und auf die Straße starrte.
    Scheiße.
    Robin ging auf sie zu, um ihr zu helfen. Sie sah zu ihm hoch und bleckte die Zähne wie eine in die Ecke getriebene Katze. «Du hast mich geschubst.»
    «Nein, nein, hab ich nicht, du weißt genau, dass ich das nicht gemacht hab.»
    Marianne kam auf die Füße, sie ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu finden.
    «Wie wär’s, wenn wir dich reinbringen?»
    «Du hast mich geschubst!» Sie ging rückwärts zum Eingang, die Hände erhoben, als wollte sie Kreuzigungsmale zur Schau stellen. Wenn bis jetzt noch niemand hinter der Gardine gestanden hatte – spätestens jetzt war da mit Sicherheit jemand.
    «Verpiss dich!», sagte Marianne.
«Verpiss dich»
, schrie sie und flatterte auf ihn zu wie ein verrückt gewordenes Huhn.
    Robin drehte sich um und rannte, egal in welche Richtung, bis er außer Atem war.
     
    Er blieb stehen. Abgesehen von seinem Keuchen war alles ruhig. Er sah sich um, überall nur schwarze Nacht. Keine Gebäude mehr. Er hatte keine Ahnung, wo er war.
    Und dann blickte er nach oben, und dort, mitten auf dem teilweise bewaldeten Hügel,

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