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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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entdeckte er die Spitze eines goldenen Lichts, einen leuchtenden Block in der dichten, nebligen Dunkelheit. Es war bei weitem das hellste Licht in Old Hindwell, und als erzurücktrat, wurde es länger und breiter, wurde zu einem Kreuz in goldenem Neon.
    Die Kirche von Nick Ellis.
    Das Kreuz schien ohne Halterung in der Luft zu hängen, wie ein großer, unwahrscheinlicher Stern.
    Robin musste sich eingestehen, dass er ziemlich erschrocken war. Es war, als wäre er in eine Falle gelockt worden. Irgendwo in der Dunkelheit hörte er Schritte. Er fröstelte. Folgte sie ihm?
    Zu schwer, zu langsam. Und die Schritte entfernten sich. Robin ging leise den Weg zurück, den er gekommen war, und bald erschien wieder das Licht über der Tür des Pubs. Er bog vorsichtig in die Straße ein, falls Marianne noch in der Nähe war, mit ausgefahrenen Krallen.
    Ein paar Meter vor ihm ging ein Mann. Er war groß, bestimmt einen Kopf größer als die Bauern, die Robin kannte. Aber er war nicht aus dem Pub gekommen. Er war nicht betrunken, sein Schritt war fest und ruhig. Als er an dem beleuchteten Eingang des Pubs vorbeikam, konnte Robin sehen, dass er einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine Krawatte trug. So etwas trugen die Bauern hier nur, wenn sie zu einer Beerdigung gingen.
    Der Mann entfernte sich langsam die Straße hinunter, in die Richtung, in die auch Robin wollte. Nach einigen Schritten blieb er stehen und sah für zwei, drei Sekunden über die Schulter. Robin konnte sein Gesicht deutlich erkennen: steifes, graues Haar und eine hakenförmige Nase, wie der Schnabel eines Adlers.
    Der Mann ging weiter. Robin wartete einen Moment lang ab, um ihm nicht zu dicht zu folgen. Ihm war nicht nach Gesellschaft zumute, allerdings war ihm kalt. Er stand dem Pub gegenüber, zitterte und legte die Arme um sich.
    Nach einer Weile sah sich der Mann, ein wandernder Schatten zwischen den beleuchteten Fenstern, erneut um. Offenbar suchte er nach jemandem, doch da war niemand.
    Robin schüttelte verständnislos den Kopf. Es war unheimlich, das Nachtleben von Old Hindwell.

11
Keine Geister, kein Gott
    In Janes Dufflecoat gekuschelt, ging sie an dem spiegelglatten Dorfplatz vorbei. Der Mond stand im Westen, heller als die Sicherheitsbeleuchtung über dem Haupteingang des
Swan
.
    Es war halb sechs Uhr morgens. Sie hielt die Kirchenschlüssel fest in der Hand. Sie wollte für Barbara Buckingham beten und für die Seele ihrer Schwester Menna.
    Merrily ging durch das Friedhofstor. Irgendwo in der Nähe des Apfelgartens keckerte ein Fuchs. Unten auf dem Friedhof sah sie ein schwaches und inzwischen bekanntes Glühen.
    «Das ist das letzte Mal, Frau Pfarrer, ich schwör’s.»
    «Gomer, es macht mir wirklich nichts aus.»
    «Is sicher nich ganz normal, Sie denken bestimmt, ich wär so ’n alter Perverser.»
    Merrily lächelte. Er kauerte neben Minnies Grab, neben einem Haufen Erde, der aussah wie ein langgestreckter Maulwurfshügel; obendrauf stand die Sturmlampe. Es gab noch keinen Stein. Ein Ticken war nicht zu hören.
    «Ich dachte nur   …», sagte Gomer, «ich will nich so ’n blöden Stein. Muss es ’n Stein geben?»
    «Ich wüsste nicht, warum.»
    «Holz. Ich mag Holz. Mit Stein bin ich nich so gut, aber aus Holz könnt ich was Schönes machen, wissense.» Er sah zu Merrily auf, das Lampenlicht spiegelte sich in seinen Brillengläsern. «Geht nich um Geld, wird schon was Orntliches. Wir ham nie drüber gesprochen, aber meine Min mochte ein schönes Stück Holz.»
    «Was immer Sie wollen, Gomer. Machen Sie, was sie Ihrer Meinung nach gewollt hätte.»
    «Hab ich was zu tun, Frau Pfarrer. Tage sind lang, wissense.»
    Merrily setzte sich auf eine Grabumfassung aus Stein und zog den Dufflecoat unter sich glatt. «Und sonst, was machen Sie sonst so, Gomer?»
    «Oh.» Gomer atmete tief durch. «So dies und das.»
    «Werden Sie hierbleiben?»
    «Hab nie dran gedacht wegzugehen.»
    «Jane meint, dass Sie vielleicht nach Radnorshire zurückwollen.»
    «Wozu denn?»
    «Wurzeln?»
    Gomer schnaubte. «Die Leute reden so viel über Wurzeln. Wurzeln sind knorrig und krumm, die bleiben besser unter der Erde, sag ich immer.»
    «Ja, da haben Sie wahrscheinlich recht.» Sie hatte eine Idee. «Kennen Sie eine Familie Thomas? Unten an der Grenze?»
    «Kenn mindestens ’n halbes Dutzend Familien, die Thomas heißen. Danny Thomas wohnt in der Nähe von Kinnerton, is ’n guter alter Junge. Hat seine elektrische Gitarre und ’n Verstärker in seinem

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