Die fünfte Kirche
neben Retro-Punk, und überall baumelten Ketten und Zierborten.
Der Produzent und sein Team mischten sich unter die Leute, sahen sich um und unterhielten sich hier und da ein bisschen, um herauszufinden, wer die potenziellen Stars des Abends waren. Die Gäste tranken inzwischen Kaffee, Tee und Wasser – keinen Alkohol – und redeten sich in Partylaune. Als hätten die meisten von ihnen die nicht schon mitgebracht.
«Gott», murmelte Edward Bain, «
wollen
die überhaupt ernst genommen werden?» Er sah Merrily mit einem schwachen, schmerzerfüllten Lächeln an.
Sein Lächeln wirkte wie eine Abkühlung auf sie. Es war Seans Lächeln, das Lächeln ihres toten Mannes. Jungenhaft, entwaffnend. So hatte er gelächelt, wenn er sich ertappt fühlte. Merrily wandte sich abrupt ab, als würde sie sich brennend für etwas interessieren, das ein rotbärtiger Mann, der einen kurzen, weißen Umhang über einer roten Tunika trug, gerade zu einem ruppig wirkenden Sicherheitstypen gesagt hatte.
«Das ist mein
Athame
, Mann! Das ist ein religiöses Utensil. Würden Sie vielleicht von einem verdammten Bischof verlangen, dass er seinen Bischofsstab bei Ihnen abgibt?»
Aus Edward Bains Lächeln wurde ein Zucken, das die Ähnlichkeit mit Sean verschwinden ließ. Wenn sie überhaupt jemals vorhanden gewesen war. Merrily schluckte.
Der Sicherheitstyp wandte sich an Tania Beauman. Tania zog eine leichte Grimasse. «Ach, Grant, lassen Sie ihn doch, es sieht wahrscheinlich gefährlicher aus, als es ist.»
«Tania, das ist ein Messer. Wenn wir im Studio Waffen erlauben, können wir auch gleich –»
«Das ist ein v …» Der Rotbärtige blies die Backen auf und drehte sich frustriert zu Tania um. «Dieser Türsteher geht mir echt auf die Nerven. Das ist religiöse Verfolgung!»
«Klar.» Tania war eine kleine, kompetente, unechte Blondine von ungefähr vierzig Jahren. «Wenn wir uns darüber einig sind,dass es rein dekorativ – Entschuldigung,
religiös
– ist und dass Sie es nicht rausholen und –»
«Natürlich hole ich es nicht raus, verfickte Scheiße!»
«Und wenn Sie dieses Wort vor Mitternacht vor laufender Kamera sagen, werden Sie von der Diskussion ausgeschlossen, das ist Ihnen auch klar, ja?»
Der Rotbärtige gab mürrisch nach wie ein gescholtener Schuljunge.
«Den haben sie sich schon mal gemerkt», sagte Edward Bain zu Merrily. «Jetzt wird er selbst nur noch zu Dekorationszwecken dienen. Sie werden ihm keine einzige Frage stellen, es sei denn, alles läuft so lahm, dass sie dringend irgendeinen Streit vom Zaun brechen müssen.»
«Das wird wohl kaum passieren, oder?»
«Dieser Typ ist sowieso ein Idiot. Wenn das
Athame
irgendwas nützen soll, sollte man es nicht zur Schau stellen wie irgendein Sportabzeichen.»
Er lächelte auf Merrily hinunter – noch ein Sean-Augenblick – und glitt davon. Merrilys Hände schwitzten, und sie dachte: ‹Oh Gott, er ist einer von denen.›
«Ooooooh.» Tania machte eine schlangenhafte Bewegung. «Ist das nicht hübsch?»
Drüben an der Tür war Edward Bain ins Gespräch mit einer Frau vertieft, die ein langes, lockeres, irgendwie klassisches Kleid trug, wie jemand von einem Musen-Begleitservice. Bain trug einen silbernen Ring mit einem Mondstein. Er und die Frau hielten sich bei den Händen und lächelten sich an. Merrily stellte sich vor, dass winzige elektrische blaue Sternchen zwischen ihren Fingern knisterten, und fragte sich, ob die beiden sich vor dem heutigen Abend schon mal begegnet waren.
«Wer ist er?», flüsterte Merrily. «Ich meine,
was
ist er?»
«Lesen Pfarrer denn nicht die
News of the World
?»
«Nur, wenn wir wirklich ganz verzweifelt nach einem Thema für die Predigt suchen.»
«Er ist
der
Mann», sagte Tania. «Wenn man ihn König der Hexen oder so nennt, setzt er einen gequälten Blick auf. Er mag das Wort ‹Hexe› nicht. Er ist eine Art Champagner-Heide, wenn Sie so wollen. Arbeitet als Geschäftsführer in einem Verlag und würde wohl lieber durch den
Observer
bekannt werden als durch die
News of the World
… und so, wie’s aussieht, schafft er das auch.»
«Mit Hilfe von
Livenight
?»
Tania sah sie missbilligend an. «Nehmen Sie die Sendung nicht auf die leichte Schulter, Merrily. Sie können da ganz schön eins reingewürgt kriegen. Und es sitzen eine Menge Leute vor den Fernsehern, von denen Sie es nicht erwarten würden.»
Vor allem diese Woche! Der amtierende Bischof von Hereford und wahrscheinlich halb Lambeth Palace.
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