Die fünfte Kirche
Freundin bekommen, die Judith hieß und nach Menna geschaut hat. Das hat ihr Gewissen ein bisschen beruhigt.»
«Is ’ne kluge Frau, die Judy. Wenn die nach Menna geschaut hat, ging’s ihr sicher gut.»
«Wohnt sie noch dort?»
«Klar. Hat doch Gareth Prosser geheiratet, is Landrat, Gemeinderat und in tausend Komitees is der. Großer Mann – allerdings auch ’n echtes Arschloch, ’tschuldigung. Hat Glück gehabt mit Judy, erledigt das Denken für ihn. Aber was ich sagen will, Frau Pfarrer, ich schätze, Judy hat trotzdem weiter nach Menna geguckt, ham schließlich beide in Ole Hindwell gelebt.»
«Sie meinen, nach ihrer Hochzeit?»
«Nich mehr als fünf Minuten ausnander, hat mir der Typ im Pub erzählt.»
«Wenn sie mit Barbara auch Kontakt gehalten hat, ist Barbara vielleicht auch zu ihr gegangen, als sie hier war.»
«Keine Ahnung, jenfalls isse zu Greta gegangen und hatse über Dr. Coll ausgefragt.»
Ich bin in sein Sprechzimmer in der Schule reingeplatzt, die Leute da haben sich über mich geärgert, aber das ist mir jetzt auch gleich. Der Blödmann hat gesagt, was ich von ihm verlange, wäre unethisch, er dürfe dem Leichenbeschauer nicht vorgreifen.
«Was wollte Barbara denn über Dr. Coll wissen?»
«Ob er Menna behandelt hat, bevor sie gestorben is, so was.»
«Wie sieht er eigentlich aus, dieser Dr. Coll?»
«Ach … is so ’n magerer Typ. Ungefähr meine Größe. Hat ’n komischen kleinen Bart.»
«Der war auf Mennas Beerdigung, bei dem privaten Teil.»
«Hm, kann ich mir denken.»
«Und wo ist Barbara jetzt, Gomer? Wo ist Barbara Thomas?»
«Ich könnt ja Judy Prosser mal ’n Besuch abstatten. Wenn jemand weiß, was Sache is, dann sie. Kann noch ’n bisschen rumschnüffeln. Was soll ich auch sonst machen, bis zwischen den Gräbern wieder Gras wächst, das ich mähen kann?»
Es war kälter geworden. Die Kirchturmspitze lag schon im Nebel. Gomers Kippe würde gleich seine Lippen verbrennen. Er nahm sie aus dem Mund und sah traurig auf das Grab, den Kopf zur Seitegeneigt wie ein Hund, als würde er versuchen, die beiden Uhren zu hören, die unter der Erde tickten.
«Ich muss da heute nochmal hin.» Sie erzählte ihm, dass Old Hindwell sich offensichtlich in Salem, Massachusetts, verwandelt hatte, wo im siebzehnten Jahrhundert die großen Hexenprozesse abgehalten worden waren. «Sie, hm, haben nicht zufällig Lust mitzukommen?»
«Geb’nse mir drei Minuten, Frau Pfarrer, muss nur das Zeug ins Gefrierfach tun.»
Jane war nicht glücklich. Jane war vollkommen frustriert. Sie hatte Eirion vom Spülküchenbüro aus angerufen.
«Sie haben rausgefunden, wo diese Kirche ist! Die Heidenkirche, weißt du? Die hatte ich total vergessen! Die, von der die Frau bei
Livenight
gesprochen hat. Hatte ich
komplett
vergessen. Als wären meine grauen Zellen abgestorben bei dem Unfall, ich hab mich einfach nicht dran
erinnert
, und dann ist es langsam zurückgekommen, ich wusste, da war irgendwas, aber ich wusste nicht genau – na ja, es steht ja alles in der Zeitung. Es ist irgendwo auf deiner Seite der Grenze. Und Mom ist gerade rübergefahren … weil da
richtig
was abgeht.»
«Was geht denn da ab?», fragte Eirion.
«Ich muss
unbedingt
wissen, was da los ist! Aber hat sie mich mitkommen lassen? Von wegen. Sie hat sogar Gomer mitgenommen. Aber mich nicht – obwohl mich das
so
interessiert. Und ich kann, wegen neulich, natürlich nichts dagegen machen. Sie setzt diesen besorgten Gesichtsausdruck auf, guckt mir in die Augen und sagt: ‹Diesmal bleibst du hier, ja, Spatz?› Ich bin so was von komplett abgenervt!»
Eirion sagte ruhig: «Und, wie geht’s dir, Eirion? Was macht das Schleudertrauma? Gibt’s irgendeine Möglichkeit, das Auto noch zu reparieren?»
«Oh.» Jane setzte sich an den Tisch. «Du hast recht. Tut mir leid, Irene. Du musst wissen, Selbstmitleid ist sozusagen mein Hauptcharakterzug.»
«Geht’s dir gut?»
«Schon, hab viel geschlafen. Fühl mich immer noch ziemlich schwerfällig beim Aufstehen, aber ich hab keine Kopfschmerzen oder so. Und noch nicht mal ’n Kratzer. Ich kann mich bloß nicht an alles erinnern. Mit der Sendung und so, aber … ja, mir geht’s gut.»
«Meine Stiefmutter hat mit deiner Mutter telefoniert. Ich hab auch das Gefühl, dass ich sie mal anrufen sollte. Meinst du, das wäre o. k.?»
«Sie wäre begeistert. Und, kann man das Auto noch reparieren?»
«Interessant, dass du dich zuerst nach dem Auto erkundigst und
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