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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Autoschlüssel vom Haken.
    «Bitte nicht», sagte Robin. «Bitte geh jetzt nicht.»
    «Ich
verlasse
dich nicht», sagte Betty leise.
    Er legte seinen Kopf in die Hände und weinte. Als er den Kopf wieder hob, war sie nicht mehr da.

25
Die Zyste
    Die schwarzweißen Fachwerkhäuser von Ledwardine lagen unter einem düsteren Himmel, der aussah, als würde er gleich irgendetwas ausspucken. Kurz vor neun überquerte Merrily den Marktplatz, um in dem Laden, der von acht Uhr morgens bis abends spät geöffnet hatte, eine
Mail
zu kaufen.
    Von der Gefriertruhe hob sich ein weißer Kopf mit beschlagener Brille.
    «Komisch, dass ich jetzt wieder nach Tiefkühlzeug graben muss, Frau Pfarrer.»
    Wie immer landeten sie schließlich auf dem Friedhof, wo Gomer die Blumen von Minnies Grab sammelte und in einen Müllbeutel steckte.
    «So ’ne Verschwendung. Hab Blumen auf Beerdigungen nie gemocht. Mag Schnittblumen sowieso nich, soll’n sie doch wachsen, sie ham sowieso nich lang.»
    «Das ist wahr.» Sie verknotete den Beutel, breitete die
Daily Mail
auf dem benachbarten Grabstein aus, und sie setzten sich darauf.
    «Barbara Buckingham ist verschwunden, Gomer. Sie ist nicht zu Mennas Beerdigung gekommen. Sie hat sich nicht mehr bei mir gemeldet und bei ihrer Tochter in Hampshire auch nicht.»
    «Hm, is ja nich so, dass das zum ersten Mal passiert, nich?»
    «Ist sie, als sie sechzehn war, auch ohne ein Wort verschwunden?»
    «Hab mit Greta Thomas gesprochen, Frau Pfarrer. Ihr Mann Danny ist ihr Cousin oder so.»
    «Kleiner Genpool in dem Dorf, oder?»
    «Hmhm. Außerdem war Greta Sprechstundenhilfe bei Dr.   Coll. In dem Job kriegt man ziemlich viel mit. Hat Barbara Thomas Ihnen gesagt, warumse damals beim Doktor war?»
    «Hydatidenzyste.»
    Barbara hatte es so erzählt, als würde die Zyste alles Schlechte verkörpern, was mit ihrer Kindheit im Radnor Forest zu tun hatte – die Gehässigkeit, die Beschränktheit und die Verkommenheit. Sodass sie, nachdem die Zyste entfernt worden war, das Gefühl hatte, ganz von vorne anfangen zu können.
    Gomer grinste breit, holte seinen Tabak heraus und drehte sich eine Zigarette.
    «Als Nächstes erzählen Sie mir, dass es gar keine Hydatidenzyste war, oder?», sagte Merrily.
    Gomer bewegte die fertig gedrehte Zigarette zustimmend zwischen seinen Zähnen.
    «An so etwas habe ich gar nicht gedacht», sagte Merrily. «Was ist mit dem Baby passiert?»
    «Hat’s nich geschafft, Frau Pfarrer. War ’ne Fehlgeburt. Keine Ahnung, ob ihr jemand geholfen hat. Das weiß nichma Greta. Aber ’s gab wohl ein, zwei Bauersfraun, die bereit warn, da nachzuhelfen. Und Merv hat sowieso keiner gemocht.»
    «Moment   … Merv?»
    «Merv Thomas, Barbaras Vater.»
    «Oh Gott.»
    Gomer nickte. «Mervs Frau, Glenny, war immer kränklich. So ähnlich wie Menna – empfindlich eben. Die Babys ham ihr den Rest gegeben. Menna war ’ne schwere Geburt. Die Schreie konnte manbis sonst wo hören, sagt Greta. Danach hat Glenny wohl gesagt, ihr reicht’s. Hat Merv die Schlafzimmertür vor der Nase zugeknallt.»
    Merrily starrte auf den Kirchturm und atmete Gomers Zigarettenrauch ein. Sie hatte ihre Schachtel nicht dabei.
    «Merv hätt natürlich in so ’n gewisses Pub in Kington gehn können», sagte Gomer, «oder nach Hereford. Das hättese mitgemacht, solange er nich damit angegeben hätt.»
    «Aber Merv dachte vermutlich, ein Mann hat ein Recht darauf, dass seine Bedürfnisse zu Hause befriedigt werden.»
    Das erklärte so viel: warum Barbara ihr Zuhause so schnell verlassen hatte, warum sie Radnor Forest so sehr hasste. Und warum der Gedanke an Menna ihr Gewissen so zerfressen hatte – so sehr vermutlich, dass Menna nach ihrem Tod zum Dauergast in Barbaras Unterbewusstsein wurde.
    «Aber die Schlafzimmertür muss ja nicht zugeblieben sein, Gomer. Barbara hat gesagt, dass ihr Vater entschlossen war, einen Sohn zu zeugen, und dass ihre Mutter eine Fehlgeburt hatte, nach der ihr die Gebärmutter entfernt wurde.»
    Gomer zuckte mit den Schultern.
    «Aber dann ist seine Frau gestorben. Warten Sie mal, diese Bekannte von Ihnen   …» Merrily war erschüttert. «Wenn sie das mit Barbara wusste, dann hat sie vermutlich auch gewusst, was Menna durchmachen musste.»
    «Der Unterschied is, dass Menna ’ne Beschützerin hatte. Judy Rowland, die Nachbarin, jetzt heißtse Judy Prosser, hatte ’n Auge auf Menna, vor allem, nachdem ihre Mom gestorben war.»
    Judy   … Judith.
«Barbara hat gesagt, sie hat Briefe von einer

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