Die Fünfundvierzig
finden, ohne um Auskunft zu fragen.
Aber auch hier verhielt man sich mißtrauisch und abweisend, bis er Näheres von seiner Sendung mitteilte. Dann entfernte sich der Diener, offenbar um bei seiner Herrin Bescheid zu holen. Bald kam er mit einem anderen Diener zurück.
»Übergebt mir Euer Pferd, mein Herr, und folgt meinem Kameraden!«, sagte er; »Ihr werdet jemand finden, der Euch viel besser als ich antworten kann.«
Ernauton folgte dem Bedienten, wartete einen Augenblick in einem Vorzimmer, bis der Diener seine Meldung gemacht hatte, und wurde in ein kleines, anstoßendes Gemach eingeführt, wo eine ohne Prunk, wenn auch mit einer gewissen Eleganz gekleidete Dame an einer Stickerei arbeitete, die Ernauton den Rücken zuwandte.
»Das ist der Herr, der im Auftrage des Herrn von Mayenne hier erscheint, gnädige Frau,« sagte der Lakai.
Sie machte eine Bewegung. Ernauton stieß einen Schrei aus.
»Ihr, Madame,« rief er, da er zugleich seinen Pagen und seine Unbekannte von der Sänfte in dieser dritten Gestalt erkannte.
»Ihr!« rief ebenfalls die Dame, indem sie ihre Arbeit fallen ließ und Ernauton anschaute.
Dann machte sie dem Lakaien ein Zeichen und hieß ihn weggehen.
»Ihr seid vom Hause der Frau Herzogin von Montpensier?« fragte Ernauton ganz erstaunt.»Ja,« erwiderte die Unbekannte; »doch wie kommt es, daß Ihr eine Botschaft von Herrn von Mayenne hierherbringt?« – »Durch eine Reihenfolge von Umständen, die ich nicht vorhersehen konnte, und deren Erzählung für Euch zu lange währen würde,« erwiderte Ernauton mit großer Vorsicht.
»Oh! Ihr seid diskret,« sagte lächelnd die Dame. – »Sooft es sein muß, ja, Madame.«
»Ich sehe hier keinen Anlaß zu großer Diskretion, denn wenn Ihr wirklich eine Botschaft bringt von der Person, die Ihr nennt...«
Ernauton machte eine Bewegung.
»Oh! keine Aufregung! Wenn Ihr wirklich eine Botschaft von der Person bringt, die Ihr nennt, so ist die Sache interessant genug, daß Ihr in Erinnerung an unsere Bekanntschaft sagt, wie die Botschaft lautet.« – »Madame, Ihr werdet mich nicht veranlassen zu sagen, was ich nicht weiß. Auch habe ich keine mündliche Mitteilung zu machen, Madame, meine ganze Sendung besteht darin, daß ich Ihrer Hoheit einen Brief übergeben soll.«
»Nun also diesen Brief!«, sagte die unbekannte Dame, die Hand ausstreckend. – »Madame, ich glaube die Ehre gehabt zu haben, Euch mitzuteilen, daß dieser Brief an die Frau Herzogin von Montpensier adressiert ist.«
»In Abwesenheit der Frau Herzogin vertrete ich sie hier,« sagte die Dame ungeduldig, »Ihr könnt also...« – »Ich kann nicht.«
»Ihr mißtraut mir, mein Herr!« – »Ich müßte es, Madame,« sagte der junge Mann mit einem Blick, in dessen Ausdruck man sich nicht täuschen konnte; »doch trotz der Heimlichkeit Eures Benehmens habt Ihr mir, ich gestehe es, andere Gefühle eingeflößt, als die, von denen Ihr sprecht.«
»Wahrhaftig!« rief die Dame, unter Ernautons entflammtem Blick ein wenig errötend. – Ernanton verbeugte sich.»Seht an!«, sagte sie lächelnd, »Ihr macht mir eine Liebeserklärung, Herr Bote,« – »Jawohl, Madame,« erwiderte Ernauton, »ich weiß nicht, ob ich Euch wiedersehen werde, und die Gelegenheit ist in der Tat zu kostbar, als daß ich sie entschlüpfen lassen sollte.«
»Dann, mein Herr, begreife ich.« – »Ihr begreift, daß ich Euch liebe, Madame, das ist wahrlich leicht zu begreifen.«
»Nein, ich begreife, warum Ihr hierhergekommen seid.« – »Ah! verzeiht, Madame, nun begreife ich nicht.«
»Ja, ich begreife, daß Ihr, begierig, mich wiederzusehen, einen Vorwand genommen habt, um Euch hier einzuführen.« – »Ich, Madame, einen Vorwand! Ah! Ihr beurteilt mich schlecht; ich wußte nicht, daß ich Euch je wiedersehen sollte, und erwartete alles vom Zufall, der mich schon zweimal auf Euren Weg geworfen hat; doch einen Vorwand nehmen, ich, niemals.«
»Hoho! Ihr seid verliebt, sagt Ihr, und Ihr habt Bedenklichkeiten über die Art und Weise, die Person wiederzusehen, die Ihr liebt? Das ist sehr schön, mein Herr,« sagte die Name mit einem gewissen spöttischen Stolz; »nun, ich vermutete schon, Ihr hättet Bedenklichkeiten.« – »Warum, Madame, bitte?«
»Ihr begegnetet mir neulich; ich saß in einer Sänfte; Ihr erkanntet mich, und dennoch seid Ihr mir nicht gefolgt.« – »Nehmt Euch in acht, Madame, Ihr gesteht, daß Ihr auf mich aufmerksam gewesen seid.«
»Ah! wahrhaftig, ein schönes
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