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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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mit ihrem feierlichen Tone, »vergesst diesen Namen, der mir entschlüpft ist; kein Lebendiger hat das Recht, mir, indem er ihn ausspricht, das Herz zu durchbohren.«
    »Oh! Madame,« rief Henri? »nun, da ich Euren Namen weiß, sagt mir nicht, daß Ihr sterben wollt.«
    »Ich sage das nicht,« erwiderte die junge Frau; »ich sage, daß ich diese Welt der Tränen, des Hasses, finsterer Leidenschaften, gemeiner Interessen und namenloser Begierden verlassen werde, ich sage, daß ich nichts mehr zu tun habe unter den Geschöpfen, die Gott als meinesgleichen geschaffen hatte; ich habe keine Tränen mehr in den Augen, das Blut läßt mein Herz nicht mehr schlagen, mein Kopf erzeugt nicht einen einzigen Gedanken mehr, seitdem der Gedanke, der ihn ganz und gar erfüllte, tot ist; ich bin nur noch ein wertloses Opfer, da ich nichts mehr opfere, weder Wünsche noch Hoffnungen, indem ich auf diese Welt verzichte; doch so, wie ich bin, biete ich mich dem Herrn; er wird michbarmherzig aufnehmen, er, der mich so viel hat leiden lassen, und der nicht wollte, daß ich meinem Leiden unterliege.«
    Remy, der diese Worte gehört hatte, stand auf, ging gerade auf seine Gebieterin zu und fragte mit düsterem Tone: »Ihr verlaßt mich?«
    »Um zu Gott zu gehen,« erwiderte Diana und hob ihre Hand, so bleich und abgemagert wie die der Magdalena, zum Himmel empor.
    »Es ist wahr,« sagte Remy und ließ sein Haupt auf seine Brust fallen, »es ist wahr.«
    Und als Diana ihre Hand senkte, nahm er sie in seine Arme und drückte sie an seine Brust, wie er es mit der Reliquie einer Heiligen getan hätte.
    »Oh! was bin ich gegen diese beiden Herzen,« seufzte der junge Mann mit dem Schauer der Angst.
    »Ihr seid,« erwiderte Diana, »das einzige menschliche Geschöpf, auf das ich zweimal meine Augen geheftet, seitdem sie sich für immer hatten schließen sollen.«
    Henri kniete nieder und sagte: »Ich danke, edle Frau, Ihr habt Euch mir ganz und gar geoffenbart; ich danke, ich sehe klar meine Bestimmung; von dieser Stunde an soll kein Wort mehr von meinem Munde, kein Atemzug meines Herzens in mir den verraten, der Euch liebte. Ihr gehört dem Herrn, edle Frau, und auf Gott bin ich nicht eifersüchtig.«
    Er sprach es und erhob sich, durchdrungen von dem verklärenden Zauber, der jeden großen und unerschütterlichen Entschluß begleitet, als auf der noch mit Dünsten bedeckten Ebene der Lärm entfernter Trompeten erscholl.
    Die Gendarmen sprangen nach ihren Waffen und waren zu Pferde, ehe man den Befehl gegeben.
    Henri horchte.
    »Meine Herren,« rief er, »es sind die Trompeten des Admirals, mein Gott und Herr! Möchten sie meinen Bruder verkünden.«
    »Ihr seht wohl, daß Ihr noch etwas wünscht,« sagteDiana zum Grafen, »und daß Ihr noch einen liebt; warum solltet Ihr denn die Verzweiflung wünschen, wie die, die nichts mehr wünschen und verlangen, wie die, die niemand mehr lieben.«
    »Ein Pferd!« rief Henri, »man leihe mir ein Pferd!«
    »Aber wo wollt Ihr denn hinaus, da uns das Wasser von allen Seiten umgibt?« fragte der Fähnrich.
    »Ihr seht wohl, daß die Ebene zugänglich ist; Ihr seht, daß sie marschieren, da ihre Trompeten erschallen.«
    »Steigt oben auf die Chaussee, Herr Graf,« sagte der Fähnrich, »das Wetter hellt sich auf, und Ihr könnt vielleicht sehen.«
    »Ich gehe,« sagte der junge Mann.
    Henri begab sich wirklich nach der von dem Fähnrich bezeichneten Anhöhe; die Trompeten erschollen immer noch in Zwischenräumen, ohne sich zu nähern oder zu entfernen. Remy hatte wieder seinen Platz bei Diana eingenommen.

Die beiden Brüder.
    Nach einer Viertelstunde kam Henri zurück; er hatte auf einem Hügel, den man vorher im Dunkel nicht hatte sehen können, eine beträchtliche Abteilung französischer Truppen verschanzt gesehen.
    Mit Ausnahme eines breiten Wassergrabens, der den von den Gendarmen von Aunis besetzten Flecken umgab, fing die Ebene an, sich wie ein Teich, den man leert, freizumachen, da die Gewässer sich wieder zum Meer hinzogen, und mehrere Punkte des Terrains, die höher lagen als die anderen, erschienen allmählich wieder wie nach einer Sintflut.
    Kot und Schlamm bedeckten die ganze Landschaft, und es bot ein trauriges Schauspiel, als man etwa fünfzig Reiter sich vergebens abarbeiten sah, durch den Morast denFlecken oder den Hügel zu erreichen. Man hatte von dort aus ihre Notschreie gehört, und deshalb erschollen die Trompeten unablässig.
    Sobald der Wind den Nebel vollends vertrieben hatte,

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